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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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wie sehr ihn der Gedanke abstieß. Er schmeckte genau so bitter, wie er es sich vorgestellt hatte. »Er war es, nicht wahr? Khouri hatte die ganze Zeit Recht.«
    »Sagen wir, es wäre an diesem Punkt unverzeihlich töricht, die Hypothese zu verwerfen. Soll ich fortfahren?«
    »Nein«, sagte Sylveste. »Etwas später. Gib mir einen Moment Zeit, mir alles durch den Kopf gehen zu lassen, dann kannst du mich mit deiner erhabenen Weisheit überschütten, so viel du willst.«
    »Was willst du dir denn jetzt noch durch den Kopf gehen lassen?«
    »Liegt das nicht auf der Hand? Ob wir weitergehen oder nicht.« Es war keine von den einfacheren Entscheidungen seines Lebens. Er wusste jetzt, dass er von Anfang an oder zumindest über lange Zeit manipuliert worden war. Wie weit war die Manipulation gegangen? Hatte sie auch seine Vernunft in Mitleidenschaft gezogen? Hatte fast sein ganzes Leben lang, seit seiner Rückkehr von Lascailles Schleier jemand in seinem Bewusstsein gesessen und ihn in diese eine Richtung gelenkt? War er am Ende da draußen im All gestorben und als willenloser Leichnam nach Yellowstone zurückgekehrt, ein Automat, der handelte und fühlte wie sein altes Ich, aber in Wirklichkeit nur auf ein Ziel zugetrieben wurde, das er jetzt fast erreicht hatte? Und war das überhaupt noch von Bedeutung?
    Denn wie er es auch drehte und wendete, wie falsch das Gefühl, wie irrational die Logik auch sein mochten, dies war der Ort, nach dem er sich immer gesehnt hatte.
    Er konnte nicht zurück; noch nicht.
    Nicht, bevor er alles wusste.
 
    »Svinoi , Schweinehund«, sagte Volyova.
    Dreißig Sekunden nachdem der Alarm des taktischen Displays zu schrillen begonnen hatte, traf der erste Graser-Schuss die Nase des Shuttle; die Zeit reichte kaum aus, um eine Wolke Abriebmaterial abzustoßen und damit die Initialenergie der auftreffenden Gamma-Photonen zu zerstreuen. Kurz bevor sich die Fenster des Flugdecks verdunkelten, bemerkte Volyova einen silbernen Blitz. Ein Stück geopferter Rumpfpanzerung wurde von einem Schwall angeregter Metall-Ionen verschlungen. Der Rumpf erzitterte wie unter einer Sprengung. Weitere Alarmsirenen stimmten ihr Klagegeheul an, ein großer Teil des taktischen Displays schaltete auf Offensivbetrieb um und zeigte grafisch die Einsatzbereitschaft der Bordgeschütze an.
    Vergeblich, alles vergeblich. Die Waffen der Melancholie waren einfach zu schwach und hatten eine zu geringe Reichweite. Sie konnten gegen den Megatonnen schweren Verfolger nichts ausrichten. Kein Wunder: die Unendlichkeit hatte Geschütze, die größer waren als das ganze Shuttle, und die hatte sie vermutlich noch gar nicht eingesetzt.
    Cerberus füllte, ein riesiger, grauer Schatten, aus der Sicht des Shuttle ein Drittel des Himmelsraumes aus. Sie hätten jetzt abbremsen müssen, aber sie waren vollauf damit beschäftigt, sich braten zu lassen. So vergingen wertvolle Sekunden. Selbst wenn sie den Angriff abwehren konnten, wären sie gefährlich schnell…
    Weitere Rumpfteile verdampften.
    Volyova ließ ihre Finger sprechen und tippte eine vorprogrammierte Ausweichroute ein. Sie konnte das Shuttle sicher aus dem unmittelbaren Zielbereich des Graser-Angriffs bringen. Die Schwierigkeit war nur, dass dafür ein Schub von zehn Ge erforderlich war.
    Sie gab den Befehl zum Ausführen des Programms und verlor prompt das Bewusstsein.
 
    Die letzte Schale war hohl, aber nicht leer.
    Sylveste schätzte sie auf dreihundert Kilometer Durchmesser, aber das war reine Vermutung. Sein Anzugradar weigerte sich hartnäckig, vernünftige Werte für den Durchmesser des Raums zu liefern, wie oft er sie auch abfragte. Der Anzug kam offensichtlich mit dem Objekt in der Mitte nicht zurecht. Das konnte Sylveste verstehen. Auch er hatte Schwierigkeiten damit, auch wenn sie vielleicht anderer Art waren. Ihm verursachte es Kopfschmerzen.
    Eigentlich waren es zwei Objekte, und Sylveste hätte nicht sagen können, welches fremdartiger war. Sie waren in Bewegung, genauer gesagt kreiste das eine auf einer festen Bahn um das andere. Der Trabant sah aus wie ein Edelstein, aber seine Struktur war so komplex und in ständigem Wandel begriffen, so dass man von einem Moment zum anderen nicht mehr sagen konnte, welche Form oder Farbe er hatte oder ob er glänzte. Fest stand nur, dass er groß war – zwanzig, vielleicht dreißig Kilometer im Durchmesser –, doch als Sylveste von seinem Anzug eine Bestätigung dieser Werte verlangte, kam dabei so viel Unsinn heraus, als

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