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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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normalen Gedanken auslöschte. Sie standen in einer Alien-Stadt.

Sechs
    Unterwegs nach Delta Pavonis, 2546
    »Ich nehme an«, sagte Volyova, »dass Sie zu den rational denkenden Menschen gehören, die stolz darauf sind, nicht an Gespenster zu glauben.«
    Khouri runzelte leicht die Stirn. Volyova hatte von Anfang an gewusst, dass die Frau nicht dumm war, trotzdem fand sie es interessant zu beobachten, wie sie auf diese Frage reagierte.
    »Gespenster, Triumvir? Das kann nicht Ihr Ernst sein.«
    »Eines werden Sie sehr schnell lernen müssen«, sagte Volyova. »Ich sage nur sehr selten etwas, das ich nicht völlig ernst meine.« Dann wies sie auf die Tür, durch die sie gekommen waren. Es war eine schwere Tür und sie war ganz unauffällig in eine der rostroten Innenwände des Schiffes eingelassen. Hinter mehreren Rost- und Fleckschichten war die stilisierte Zeichnung einer Spinne zu erkennen. »Nur zu. Ich bin direkt hinter Ihnen.«
    Khouri gehorchte; ohne zu zögern. Volyova war zufrieden. In den drei Wochen, seit sie die Frau geshanghait – oder angeheuert hatte, um es weniger drastisch auszudrücken –, hatte Volyova ein ganzes Bündel von komplexen Maßnahmen zur Loyalitätsveränderung eingeleitet. Nun war die Behandlung fast abgeschlossen und musste nur immer wieder mit zusätzlichen Eingriffen ergänzt werden. Bald war die Loyalität der Frau so weit gefestigt, dass sie über bloßen Gehorsam hinausging und zu einem inneren Zwang wurde, einem Gesetz des Handelns, dem sie sich ebenso wenig entziehen konnte wie ein Fisch aufhören konnte, im Wasser zu atmen. Im Extremfall würde Khouri sich nicht nur wünschen, dem Willen der Besatzung zu gehorchen, sondern sie würde ihr auch noch dankbar sein, weil sie ihr Gelegenheit dazu gab. Aber Volyova hoffte, dass sie nicht so weit zu gehen brauchte. Sie wollte aufhören, bevor die Programmierung diese Schichten erreichte. Nach ihren wenig erfolgreichen Experimenten mit Nagorny würde sie sich hüten, noch ein Meerschweinchen zu züchten, das keine Fragen stellte. Sie hätte nichts dagegen, wenn Khouri eine Spur von Auflehnung behielte.
    Nun folgte sie ihr wie versprochen durch die Tür. Die Neue hatte wenige Meter hinter der Schwelle erkannt, dass sie nicht weiterkam, und war stehen geblieben.
    Volyova schloss die große Irisblende hinter ihnen.
    »Wo sind wir, Triumvir?«
    »In einem meiner kleinen Schlupfwinkel«, sagte Volyova. Sie sprach in ihr Armband, ein Licht ging an, aber das Innere blieb dämmrig. Der Raum hatte die Form eines dicken Torpedos, zwei Mal so lang wie breit. Die Einrichtung war auffallend prächtig. Vier scharlachrote Polstersessel waren nebeneinander auf dem Fußboden festgeschraubt und dahinter war noch Platz für zwei weitere, von denen allerdings nur noch die Verankerungen zu sehen waren. Wo die gewölbten Wände mit den Messingrippen nicht mit Samt gepolstert waren, glänzten sie in tiefem Schwarz, als bestünden sie aus Obsidian oder Marmor. Volyova setzte sich auf den vordersten Sessel. An der Armlehne war eine schwarze Ebenholzkonsole befestigt. Sie klappte sie herunter und machte sich mit den Anzeigen und Schaltern vertraut. Alle waren aus Messing oder Kupfer gefertigt und mit kunstvoll beschrifteten Täfelchen versehen, die von verschnörkelten Intarsien aus verschiedenen Holzarten und aus Elfenbein umrahmt wurden. Volyova fand sich schnell zurecht, denn sie besuchte den Spinnenraum ziemlich regelmäßig, aber sie genoss es, einfach mit den Fingerspitzen über das Schaltpult zu streichen.
    »Sie sollten auch Platz nehmen«, sagte sie. »Wir heben gleich ab.«
    Khouri setzte sich neben Volyova. Die legte mehrere Elfenbeinschalter um und leitete Strom in die Schaltkreise des Spinnenraums. Verschiedene Anzeigen auf dem Schaltpult leuchteten rosig auf und die Zeiger begannen zu zittern. Khouris verwirrter Blick bereitete ihr ein geradezu sadistisches Vergnügen. Die Neue hatte ganz eindeutig keine Ahnung, wo im Schiff sie sich befand und was ihr bevorstand. Ein dumpfer Schlag war zu hören, und plötzlich schwankte der Raum wie ein Rettungsboot, das sich soeben vom Mutterschiff losgerissen hatte.
    »Wir bewegen uns«, stellte Khouri fest. »Was ist das – ein Luxusfahrstuhl für das Triumvirat?«
    »So dekadent sind wir nicht. Wir befinden uns in einem alten Schacht, der zur Außenhülle führt.«
    »Sie brauchen einen eigenen Raum, nur um zur Hülle zu kommen?« Khouris Verachtung für gewisse Details des Ultra-Lebens brach wieder durch.

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