Ungeduld des Herzens.
ausdrücklich im Testament festgelegt mit der Begründung: ›weil sie meinen Tod nicht erwarten konnten‹.
Das gab nun einen vollsaftigen Skandal. Die Verwandtschaft schrie Zeter und Mordio, stürzte zu den Advokaten, und die machten die üblichen Einwendungen. Die Erblasserin sei nicht klaren Geistes gewesen, denn sie habe das Testament während einer schweren Krankheit verfaßt, sie sei überdies in einem pathologischen Hörigkeitsverhältnis zu ihrer Gesellschafterin gestanden; es bestehe kein Zweifel, daß diese listigerweise durch Suggestionden wahren Willen der Kranken vergewaltigt habe. Gleichzeitig versuchten sie die Geschichte zu einer nationalen Angelegenheit aufzubauschen; ungarische Güter, seit den Zeiten Arpads im Besitz der Orosvár, sollten nun an Ausländer, an eine Preußin, und die andere Vermögenshälfte gar an die zyrillische Kirche fallen; ganz Budapest sprach von nichts anderem, die Zeitungen füllten damit ganze Spalten. Aber trotz all dem Getöse und Geschrei der Benachteiligten stand die Sache faul. In zwei Instanzen hatten die Erben bereits den Prozeß verloren; zu ihrem Pech lebten beide Ärzte in Territtet noch und bestätigten neuerdings die seinerzeitige Vollsinnigkeit der Fürstin. Auch die andern Zeugen mußten im Kreuzverhör zugeben, die alte Fürstin sei in den letzten Jahren zwar schrullig, aber doch vollkommen klaren Sinnes gewesen. Alle Advokatentricks, alle Einschüchterungen hatten versagt, hundert zu eins war zu erwarten, daß die königliche Kurie die bisherigen Entscheidungen zugunsten der Dietzenhof nicht umstoßen werde.
Kanitz hatte natürlich den Prozeßbericht selbst gelesen, aber er lauschte scharf auf jedes Wort, weil ihn fremde Geldgeschäfte als Lernobjekte leidenschaftlich interessierten; außerdem kannte er das Gut Kekesfalva aus seiner Agentenzeit.
›Du kannst dir denken‹, erzählte inzwischen der kleine Schreiber weiter, ›daß mein Chef in Saft kam, als er bei seiner Rückkehr sah, wie man die dumme Person übertölpelt hatte. Sie hatte bereits schriftlich auf Orosvár verzichtet, auf das Palais in der Ofnerstraße und sich mit dem Gut Kekesfalva und dem Gestüt abspeisen lassen. Besonderen Eindruck hatte ihr offenbar das Versprechen des gerissenen Hundes gemacht, sie würde weiterhin nichts mehr mit Gerichten zu tun haben, ja, die Erben würden sogar großmütig die Kosten ihres Anwalts auf sich nehmen. Nun wäre de jure dieser Ausgleich noch anzufechtengewesen, er war schließlich nicht vor dem Notar abgeschlossen, sondern nur vor Zeugen, und man hätte spottleicht die gierige Bande aushungern können, die keinen Heller mehr besaß, um eine Verschleppung durch neue Instanzen durchzustehen. Natürlich war es die verdammte Pflicht meines Chefs, denen heimzuleuchten und den Vergleich im Interesse der Erbin anzufechten. Aber die Bande wußte ihn richtig beim Schlafittchen zu packen – sie boten ihm hinterrücks sechzigtausend Kronen Anwaltshonorar, wenn er weiter nicht muh mache. Und da er ohnehin einen Zorn auf die dumme Person hatte, die sich eine schöne runde Million in einer halben Stunde abschwatzen ließ, erklärte er den Vergleich für gültig und scheffelte sein Geld ein – sechzigtausend Kronen, was sagst du, dafür, daß er durch sein blödes Nach-Wien-Fahren seiner Klientin die ganze Sache versaut hat! Ja, Glück muß man haben, den größten Lumpen schenkt's der Herr im Schlaf! Jetzt hat sie von dem ganzen Millionenerbe nichts als Kekesfalva, und das wird sie auch bald verwursteln, wie ich sie kenne: so ein saudummes Kalb!‹
›Was wird sie denn damit anfangen?‹ fragte der andere.
›Verwursteln, sag ich dir! Sicher einen Unsinn! Ich hab übrigens was läuten gehört, daß die Leute vom Zuckerkartell ihr die Fabrik abknöpfen wollen. Übermorgen, glaub ich, kommt der Generaldirektor aus Budapest. Und das Gut will, glaube ich, ein gewisser Petrovic pachten, der dort Verwalter war, aber vielleicht übernehmen's auch die vom Zuckerkartell in eigene Regie. Geld haben sie genug, es soll ja eine französische Bank – haben Sie's nicht in der Zeitung gelesen? – da eine Fusionierung vorbereiten mit der böhmischen Industrie ...‹
Damit begann das Gespräch ins Allgemeine abzuschwenken. Aber unser Kanitz hatte genug gehört, daß ihm die Ohren brannten. Wenige kannten Kekesfalva so gründlich wie er; schon vor zwanzig Jahren war er dortgewesen, um das Mobiliar zu versichern. Er kannte auch Petrovic, kannte ihn sogar sehr genau aus der
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