Ungeplant (German Edition)
meiner Haustür klingelt.
- Sven weiß Bescheid. Ich hatte keine Wahl. Er wollte Kim anrufen, um zu erfahren, was mit Dir los ist. Du hättest es ihm gestern Abend sagen sollen. Er ist jetzt auf dem Weg zu Dir. Ich konnte ihn nicht davon abhalten. Thomas -
Mit Max auf dem Arm öffne ich ihm die Tür. Völlig derangiert und mit wildem Blick steht er auf meiner Fußmatte. Seine Klamotten sind noch die gleichen wie gestern Abend, ganz zerknittert, als hätte er darin geschlafen. Wobei die Ringe unter seinen Augen nicht gerade auf einen erholsamen Nachtschlaf schließen lassen.
Mit einer Handbewegung winke ich ihn in die Wohnung, damit er im Hausflur keine Szene macht. Er marschiert direkt ins Wohnzimmer, wo er sich in meinen Sessel fallen lässt. Für einen Moment denke ich, wie richtig er darin aussieht und wie sehr ich ihn dort vermisst habe.
Behutsam lege ich den dösenden Max in die Wiege neben der Couch, bevor ich mich selbst hinsetze. Sven sieht mich immer noch fassungslos an.
„Das musste ich selbst sehen. Ich hätte Thomas fast nicht geglaubt.“
Hektisch springt er wieder auf, als wollte er gleich zur Tür rausstürmen, während er mit dem Finger auf Max und mich zeigt.
„Warum hast du mir nichts gesagt, Lina?“
Wie ein Racheengel steht er über mir. Auch wenn er für meinen Geschmack ein bisschen zu sehr die Stimme erhebt, weiß ich, dass er mir nie etwas tun würde. Ich kann schon verstehen, dass er sauer ist.
„Schrei hier nicht rum. Du verschreckst das Baby.“
„Scheiße, Scheiße, Scheiße“, flüstert er jetzt und lässt sich wieder in den Sessel fallen.
„Ich hab mir das nicht ausgesucht, Sven. Aber die Dinge liegen jetzt nun mal etwas anders als bei deiner Abreise. Ich wollte nicht, dass du dich gezwungen fühlst, wegen mir alles abzubrechen. Du bist immer noch mein Freund, aber Max ist jetzt meine oberste Priorität.“
Auch wenn ich mich am liebsten einfach nur auf seinem Schoß zusammenrollen und mal richtig ausweinen möchte.
„Ich bin seit über zwanzig Jahren dein bester Freund. Du hättest es mir sagen sollen.“
„Und dann? Das hier ist nicht deine Verantwortung. Dennoch hättest du dich verpflichtet gefühlt, zurück zu kommen.“
„Ich liebe dich, Lina.“
Flehend sieht er mich an, doch das macht mir nur wütend.
„Das hilft mir aber nicht, Sven. Ich habe gerade so viel um die Ohren, dass ich nicht weiß, wo mir der Kopf steht. Bislang ist noch nichts Finanzielles geklärt und ich weiß nicht, wie lange ich hier noch die Miete bezahlen kann. Nein, ich weiß noch nicht mal, wie ich Max neue Klamotten und Windeln kaufen soll, ohne an meine mageren Reserven zu gehen. Das macht mir solche Angst, dass ich im Moment einfach keine Zeit habe, mir über andere Sachen den Kopf zu zerbrechen. Mein Chef hat mir recht deutlich gemacht, dass er an einer mit Kindern belasteten Mitarbeiterin nicht interessiert ist und will meine Stunden nicht reduzieren. Theoretisch müsste ich mir einen Teilzeitjob suchen, aber das gestaltet sich schwierig ohne Betreuung. Max ist erst ein paar Wochen alt und ich finde dafür einfach keine passende Option am Ort, zudem ich ohne Auto jobmäßig echt aufgeschmissen bin.“
Meine Wangen sind heiß, so habe ich mich in Rage geredet, wobei ich immer noch meine Stimme unten gehalten habe.
„Lass mich dir helfen.“
Ich möchte weinen. Genau deswegen wollte ich es ihm erst mal nicht sagen. Zweifellos würde er mir helfen. Als Freund. Aber ich möchte ihn nicht mehr nur als Freund, ich will ihn als meinen Partner. Ich will mit ihm die Zeit genießen. Sonntags zusammen aufwachen, Liebe machen, den Tag vertrödeln. Gemeinsam kochen, irgendwann die Zukunft planen. Meine Zukunft hat sich jetzt von selbst geplant. Sven würde mich vielleicht auch jetzt noch wollen, aber ich möchte keine Mitleidsbeziehung. Ich bin gerade mal 26 und ich wollte noch ein bisschen frei sein. Natürlich will ich Kinder, aber nicht jetzt schon und nicht unter diesen Umständen.
Es ist schlimm genug, dass ich so etwas überhaupt denke. Max soll sich willkommen fühlen, aber ich brauche immer noch Zeit, mich mit der Situation zu arrangieren. Andere Mütter haben wenigstens neun Monate Zeit, um sich mit dem Gedanken anzufreunden.
„Du kannst mir nicht helfen“, sage ich schweren Herzens, aber offenbar mit genügend Überzeugungskraft. Sven steht auf und verlässt mit hängendem Kopf die Wohnung.
Am nächsten Vormittag steht überraschend Jana vor meiner Tür. Sie
Weitere Kostenlose Bücher