Ungeschoren
erhöhen.
Mit schweren Schritten begab er sich zum Polizeilabor. Er versuchte, seinen Armani-Anzug nicht mit Urin zu bekleckern.
Erst in dem Augenblick hörte Arto Söderstedt auf, die Tür anzustarren. Er, der gedacht hatte, dass es um Jorge Chavez ging, dass Hjelm tatsächlich seinen besten Freund belauerte.
Wie man sich doch täuschen kann. Stattdessen hatte der auf entnervende Weise kompetente Paul Hjelm im Laufe eines Tages den Fall des unglücklichen Geschicks seines Nachfolgers in Polen geklärt.
Doch Arto Söderstedt rief sich zur Ordnung und wählte eine Nummer.
»Verband Schwedischer Fotografen«, klang es aus dem Hörer.
Kerstin Holm fühlte sich wie zerschlagen. Die Reise nach Poznán und zurück war reibungslos verlaufen, wie geschmiert oder, im wahrsten Sinn des Wortes, wie im Flug. Kein Zweifel, Europa schrumpfte.
Ihr Stuhl war falsch eingestellt. Jemand hatte auf ihrem Stuhl gesessen. Jemand hatte in ihrer Abwesenheit den Chefstuhl übernommen.
Es gelang ihr nicht, ihn richtig einzustellen. Sie vermisste ihren Sohn. Aber gelinde errötend, musste sie sich eingestehen, dass sie im Augenblick einen anderen Mann noch mehr vermisste.
Sie fragte sich, welchen.
Sie ging zum Faxgerät. Unter einem ansehnlichen Stapel lag ein einzelnes Blatt. Darauf stand in einer Schrift, die eine 24 Punkt Garamond sein dürfte: ›Denkt an Keith Cederholm.‹
Nur das.
Sie betrachtete das Fax und versuchte, sich dafür zu interessieren.
Stattdessen dachte sie an Mateusz Kohutek. War das mit den zwei Äxten nur Unsinn? War der Alte wirklich zu der Person gekommen, die er ermorden wollte, und hatte sie ermordet vorgefunden?
Und sollte ihnen nicht endlich irgendeine Art von Licht aufgehen?
Dann hatte Arto in ihrer Abwesenheit den Oblatenfall gelöst. Gerade als sie anfangen wollte. Sie verstand nicht alle Einzelheiten, und der einzige Grund, warum sie noch nicht nach Hause gehen konnte, war der, dass sie auf seinen Bericht wartete.
Sie setzte sich in den schief eingestellten Stuhl und sah auf das Fax.
Sie suchte die vorigen heraus und legte alle drei nebeneinander auf den Schreibtisch.
›Denkt an Joy Rahman.‹ (Montag, 12 Uhr 23)
›Denkt an Yasser Askar.‹ (Dienstag, 9 Uhr 05) ›Denkt an Keith Cederholm.‹ (Mittwoch, 10 Uhr 44) Aha, dachte sie. Doch etwas in ihr dachte etwas ganz anderes.
Arto Söderstedt sagte: »Kann man beim Schwedischen Fotografenverband Auskünfte über einen Fotografen bekommen?«
»Wenn er oder sie Gewerkschaftsmitglied ist«, antwortete der Schwedische Fotografenverband.
»Es handelt sich um Juha-Pekka Niemelä«, sagte Söderstedt und buchstabierte den Namen.
»Einen Augenblick«, sagte der Schwedische Fotografenverband und verschwand.
Söderstedt hing seinen Gedanken nach. Marja-Liisa hatte natürlich keine Ahnung gehabt, wo ihr Mann sein Geld verdiente. Juha-Pekka war irgendwann zwischen Samstag und Montag gestorben. Irgendwie hingen die beiden Dinge zusammen.
Dieses ›irgendwie‹ erfüllte ihn mit bösen Ahnungen.
Es piepte im Hörer. Ein anderes Gespräch war in der Leitung. Hoffentlich würde der Schwedische Fotografenverband noch eine Weile in der Kartei kramen.
Söderstedt nahm das neue Gespräch entgegen.
»Brynolf Svenhagen hier«, sagte die Stimme am anderen Ende.
»Ich höre«, sagte Söderstedt kurz.
»Der Keller ist wahrscheinlich nicht der Tatort. Es gibt keine Blutspuren außer an der Säge. Das Blut an der Säge ist anderseits inzwischen als das von Juha-Pekka Niemelä identifiziert. Ebenso die Hirnsubstanz. An der Säge sind auch Marja-Liisa Niemeläs Fingerabdrücke. Keine von Juha-Pekka. Und auch keine anderen. Die von Juha-Pekka waren, wie bekannt, ›schlecht‹, wahrscheinlich wegen ständigen Eintauchens ins Entwicklerbad.«
»All right. Danke, Brynolf.«
»Du bist aber kurz angebunden.«
»Zweites Gespräch in der Leitung«, sagte Söderstedt und schaltete um.
»Hallo, sind Sie noch da?«, fragte der Schwedische Fotografenverband.
»Ja, Entschuldigung«, sagte Arto Söderstedt.
»Also, dieser Niemelä steht in unserer Kartei. Schwedische Staatsbürgerschaft 1990, als freier Fotograf mit eigener Firma etabliert 1991. Hat für verschiedene Bildagenturen und eine Reihe kleinerer Zeitungen gearbeitet.«
»Wie zum Beispiel?«
»Wenn ich hier richtig lese, wird er jetzt hauptsächlich von einer der größeren Bildagenturen in Stockholm beauftragt.«
»Welcher?«
»Sie heißt Fotoring.«
Joy Rahman. Acht Jahre im Gefängnis
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