Ungeschoren
wahr?«
»Richtig widerwärtig.«
»Er hatte ein U in die Kniekehle tätowiert. Ich frage mich, ob das der einzige Buchstabe ist. Trauert seine Frau um ihn?«
Arto Söderstedt zog einen Stuhl heran und setzte sich.
»Nein«, sagte er. »Und ich verstehe, worauf du hinauswillst.«
»Ich habe drei Faxe über unschuldig Verurteilte in der Vergangenheit erhalten: Joy Rahman, Yasser Askar und Keith Cederholm.«
»Ich habe das Fax mit Cederholm gesehen. Ist ziemlich lange her. Neunzehnhundertzweiundachtzig.«
»Was haben die Verdächtigen in unseren aktuellen Fällen gemeinsam?«, fragte Kerstin Holm, statt zu antworten.
»Dass sie nicht richtig wissen, ob sie schuldig sind.«
»›Gewissermaßen‹«, sagte Kerstin. »Sie drücken sich so unklar aus. Ich frage mich, ob sie nicht alle gemordet hätten, wenn sie die Möglichkeit gehabt hätten. Jemand hat ihre Gedanken gelesen und das getan, was sie wahrscheinlich getan hätten. Deshalb weiß Lars-Inge Runström nicht, ob er Ronald Swärd in der Garage am Värtaväg erschossen hat. Deshalb ist für Naska Rezazi alles mittsommermystisch. Gewissermaßen hat sie ihren Bruder ermordet. Deshalb fand Mateusz Kohutek Elzbieta Kopanska, der er eine Axt in den Kopf schlagen wollte, mit einer Axt im Kopf.«
»Und deshalb«, sagte Arto Söderstedt, »trauert Marja-Liisa Niemelä nicht. Wenn es nicht geschehen wäre, hätte sie es selbst getan. Deshalb ist es ihr gleichgültig, dass in ihrem Keller die Stichsäge mit ihren Fingerabdrücken gefunden wurde. Für sie ist wichtig, dass Juha-Pekka weg ist.«
»Wir haben also vier gewissermaßen Unschuldige eingebuchtet?«, sagte Kerstin Holm.
»Es gibt einen anderen Mörder«, sagte Söderstedt leise.
»Einen?«
»Wer sind unsere Opfer?«, fragte Söderstedt. »Einer hat seine Frau misshandelt, eine war Kopfjägerin, einer hat seine Schwester gequält, einer war Programmverantwortlicher für Schundfernsehen. Das hängt alles zusammen. Die Morde ergeben ein Weltbild. Eins. Die Ermordeten sind ein Mann, der sein halbes Leben lang seine Frau tyrannisiert hat, eine Frau, die mindestens fünf Menschen ermordet hat, um die Leichen an ein Beerdigungsinstitut zu verhökern, ein Bruder, der seine Schwester misshandelt und mit dem Tod bedroht hat, weil sie ein freies Leben führen wollte, und ein Mann, der Millionen von Menschen einer Gehirnwäsche unterzogen hat. Unser Mörder ist ein Mann, und er will etwas ganz Bestimmtes.«
»U«, sagte Kerstin Holm.
»Wie sieht es bei den anderen aus? Irgendwelche Buchstaben oder Zeichen in der Kniekehle?«
»Ich habe mir gerade ihre Akten angesehen. Qvarfordt erwähnt nirgendwo eine posthume Tätowierung.«
»Weil er keine Veranlassung hatte, danach zu suchen. Wo sind die Leichen jetzt? Ist eine eingeäschert worden?«
»Hast du es eilig, nach Hause zu kommen?«, fragte Kerstin.
»Ich hatte es eilig«, sagte Arto. »Jetzt ist es zu spät für Mikaelas Gymnastikvorführung. Welches ist die älteste Leiche?«
»Der Programmchef von Kalastelevision, Ronald Swärd, er starb am Abend des ersten Juni, es war ein Samstag. Danach die Krankenschwester Elzbieta Kopanska, am Abend des zehnten Juni, einem Montag. Danach der arbeitslose Nedim Rezazi, in der Nacht auf Sonntag, den sechzehnten Juni. Und schließlich Juha-Pekka Niemelä – wann? Hultins Fest war genau am Sonntag, dem sechzehnten. Wann hast du den Fotografen bestellt, Arto?«
»Gegen Ende der vorigen Woche. Donnerstag vielleicht.«
»Und am Sonntag war er allem Anschein nach tot«, sagte Kerstin Holm. »Als Erstes morgen früh müssen wir nachsehen, ob alle Leichen noch physisch vorhanden sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand sie während der Nacht begraben oder einäschern will, ist wohl ziemlich gering. Was müssen wir morgen noch tun? Außer dass wir uns diese Faxe ein bisschen genauer vornehmen?«
Arto Söderstedt kratzte sich am Kopf und sagte: »Wir müssen mit allen reden, die auf dem Fest waren, und ein Bild des Fotografen erstellen. Erinnerst du dich an ihn?«
»Das habe ich mich schon gefragt. Nein, ich erinnere mich nur daran, dass es blitzte.«
»Mir geht es nicht anders«, sagte Söderstedt. »Ich weiß noch, dass er mit Viggos Familie im Aufzug kam. Als Erstes hat er mir einen Blitz voll ins Gesicht gefeuert. Das war wohl eine Art Lebensversicherung.«
»Er kann auf einem der Fotos hängen geblieben sein«, sagte Kerstin. »Als Spiegelung, eine Glasscheibe. Möglicherweise hat noch jemand fotografiert und auch ein
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