Ungestüm des Herzens
Sie sind noch da. Sie sind noch nicht fort.«
Ehe die panischen Worte des Mexikaners wirklich zu Samantha vorgedrungen waren, stand ihr Vater hinter ihr und zog sie hoch.
»Hast du ... hast du gehört, was Juan gesagt hat?«
»J a«, knurrte Hamilton. »Aber das war nicht nötig. Schau nur.«
Sie blickte in die Richtung, in die er wies. Er sah auf einen kleinen Hügel am anderen Rand des Feldes. Der Rauch war jetzt nicht mehr so dicht, und sie konnten es deutlich erkennen. Fünfzehn Männer auf Pferden standen nebeneinander auf der Hügelkuppe. Eine so bedrohlich wirkende Gruppe von Menschen hatte Samantha noch nie gesehen. Sie standen da und beobachteten sie, und die Sonne glitzerte auf ihren gekreuzten Bandelieren und ihren langen Messern. Breitkrempige Sombreros verbargen dunkle Gesichter.
Ihr Vater zog sie zu ihrem Pferd und half ihr beim Aufsteigen. So, wie er jetzt aussah, hatte sie ihn noch nie gesehen.
»Reite los, Sam«, befahl er ihr streng. »Du wirst jetzt sofort zur Ranch zurückreiten.«
»Nein.« In ihrer Stimme schwang Trotz mit, doch ihr Tonfall war ebenso entschlossen wie der seine.
Er sah sie finster an. »Mach dich sofort auf den Weg.«
»Ohne dich gehe ich nicht.«
»Um Gottes willen, kannst du nicht ein einziges Mal tun, was ich dir sage? Die anderen sind in der Überzahl.«
»Eben. Ihr könnt jeden Schützen gebrauchen.«
Hamilton starrte sie ungläubig an. »Deine Prahlerei kannst du dir augenblicklich abschminken, kleines Mädchen. Hinter dem Hügel könnten weitere Männer sein. Wir reiten nicht in eine Falle.«
Sie sah ein, dass er klug handelte. »Dann reiten wir eben nach Hause.«
»Du reitest voraus. Wir kommen nach, sobald wir Juan und den Jungen auf Pferde gesetzt haben.« Er gab Manuel und Louis ein Zeichen, genau das zu tun. »Reite jetzt los, Sam.«
»Ich warte auf euch.«
Hamilton wurde wütend. »Ist dir denn nicht klar, dass jetzt jede Sekunde kostbar ist? Es ist das erste Mal, dass die Banditen nicht vom Schauplatz ihres Verbrechens davonlaufen. Sie fühlen sich stark, Sam. Sie könnten uns jeden Moment angreifen.«
»Ich warte«, sagte sie noch einmal mit entschlossenem Mund. »Ich lasse dich nicht allein hier zurück, Vater.«
Er funkelte sie wütend an, schüttelte den Kopf und half dann mit, den verletzten Juan auf sein Pferd zu setzen.
Die Banditen wichen keinen Zentimeter. Sie schienen auf etwas zu warten. Aber worauf? Darauf, angegriffen zu werden, oder darauf, anzugreifen? Samantha konnte sechs von ihnen töten, ehe sie ihre Waffe nachladen muss te, und weitere sechs, ehe sie ihr so nahe kommen konnten, dass es gefährlich wurde. Von einem günstigeren Standort aus hätte sie jeden einzelnen von ihnen erwischen können.
Es war ihr zuwider, den Schwanz einzuziehen und fortzulaufen, und sie war froh, dass sie nicht wie Feiglinge das Gebiet verließen. Als Vorsichtsmaßnahme und aus Rücksicht auf Juans Verletzung bewegten sie sich nur langsam voran, die Gewehre im Anschlag, um im Fall eines Angriffs mit schussbereiten Waffen reagieren zu können. Die Banditen folgten ihnen nicht. Samantha sah sich einmal um und stellte fest, dass sie sich nicht vom Fleck gerührt hatten. War das alles nur Prahlerei?
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie die Ranch erreichten. Juan wurde fortgebracht, damit man sich um seine Verwundung kümmern konnte, und Samantha folgte ihrem Vater ins Haus. Als sie im Haus waren, schrie er sie an: »Jetzt reicht es mir. Es reicht! Das war das letztemal, dass du dich mir widersetzt hast!«
»Beruhige dich, Vater«, sagte Samantha freundlich. »Wir können uns vernünftig darüber unterhalten.«
»Jetzt willst du plötzlich vernünftig sein? Warum konntest du da draußen nicht Vernunft annehmen? Du hast dein Leben aufs Spiel gesetzt!«
»So habe ich das nicht gesehen.«
»Das tust du nie«, sagte er mit schneidender Stimme. »Aber du bist zu alt dazu, um dich wie ein Kind zu benehmen.«
»Dann behandle mich nicht wie ein Kind!« fauchte sie. Ruhiger fügte sie hinzu: »Die Situation war mir durchaus bewußt, Vater. Ich weiß sehr gut, dass sie uns jeden Moment hätten angreifen können. Aber ich hätte auf mich selbst aufpassen können - sogar besser als du. Mit meinem Colt hätte ich drei Männer erschossen, ehe du auch nur einen getroffen hättest.«
»Darum geht es nicht. Du bist meine Tochter, Samantha, nicht mein Sohn. Du sollst dich gar nicht erst in Gefahr bringen. Ich wollte dich beschützen, die Gefahr von dir
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