Ungezähmt: Die Katze (German Edition)
sie konnten nicht ewig von
einem Ort zum anderen ziehen. Was sie brauchten, war ein sicherer Unterschlupf,
an dem sie planen und organisieren konnten, sich an Harold zu rächen und die
Burg für Christopher zu beanspruchen.
Ein, zwei oder mehr
Verbündete wären sicher nicht übel. Harold hatte auch Verbündete und sie wusste
nicht, wie mächtig die waren. Christopher konnte nicht in den Kampf ziehen, er
war erst vierzehn.
Und außerdem, Kathryn
konnte nicht sein Vormund bleiben. Sie war nur eine Frau und eine
unverheiratete noch dazu. Damit war sie nichts weiter als ein Besitz in den
Augen der Gesellschaft.
Ein neuer Vormund
musste gefunden werden. Jemand, dem man vertrauen konnte.
Stephen hatte versucht,
die Vaterrolle zu übernehmen, und zugegeben, er hatte das nicht schlecht
gemacht, doch nun musste ein anderer gefunden werden. Das war einfach eine
Aufgabe für einen erfahrenen Mann.
Wenn es nach Kathryn
gegangen wäre, hätte sie Michael gewählt, denn sie kannten sich ein Leben lang.
Aber der war nur ein einfacher Vasall, nicht mal ein Ritter, auch wenn er
besser kämpfte als die meisten. Er war Kathryn ein guter Lehrmeister gewesen
und auch ein enger Vertrauter.
Kathryn hoffte, dass
man ihr selbst keinen Vormund oder noch schlimmer einen Ehemann aufdrücken
würde. Sie würde sich lieber den Fuß abhacken als ihre Freiheit aufzugeben.
Aber sie wusste, diese Hoffnung war töricht.
Himmel, wie hatte es
nur so weit kommen können! Sie waren auf ihrem eigenen Land auf der Flucht,
Stephen war tot und auch der aufs höchste gelobte Earl, der sie retten sollte,
war näher am Tod als am Leben. Was für eine Misere!
„Wir haben heute einen
Mann aufgegriffen, als wir den Boten abgefangen haben. Er hatte den hier bei
sich.“
Sie legte ihm den Ring
ihres Bruders in die Hand. Er nahm ihn vorsichtig, drehte ihn im Sonnenlicht,
bemerkte den Ruß und das Blut daran und ballte dann die Faust darum. Seine
Knöchel traten weiß hervor.
Sie blieb stumm. Sie wussten
beide, dass Stephen tot war. Der Ring sprach für sich. Und sie wusste ohne ein
einziges Wort, wer dafür verantwortlich war.
Tränen standen in
seinen Augen und er presste zwischen den Zähnen hervor: „Dafür wird der Bastard
büßen.“
Sie drückte seine Hand
und sagte heiser: „Das wird er.“
Kathryn verstand seinen
Schmerz. Stephen war schließlich auch ihr Bruder gewesen. Nein, er war der
beste Bruder der ganzen Welt gewesen. Niemals hatte er sie behandelt, als wäre
sie weniger wert als er und sie hatte alle Freiheiten genießen können, die ihm
auch offenstanden. Nun, fast alle, letzten Endes war sie ja doch eine Frau. Sie
würde ihn schrecklich vermissen.
Doch sie
musste ihre Wut und ihre Trauer erst einmal beiseiteschieben. Sie musste
retten, was zu retten war. Zeit zum Trauern war auch noch, wenn sie wieder in
ihrer eigenen Welt war. Wenn es ihr überhaupt gelang, sie wiederzubekommen.
Harold musste sterben
für das, was er ihnen angetan hatte.
Und für das, was er mit
ihr vorhatte.
In der Satteltasche des
Boten, Grant, ein wirklich widerlicher und brutaler Mann, hatte sie ein
Schreiben gefunden. Grant war seit je her Harolds Bote fürs Schmutzige gewesen,
er war gemein, hinterhältig und stellte jungen Mädchen nach. Mädchen, die fast
noch Kinder waren.
So wie Maggie, die
dreizehnjährige Spülmagd.
Harold hatte Grant „aus
Mangel an Beweisen“ nicht bestraft und Maggie als ein billiges Flittchen
hingestellt.
Mit Freuden hatte sie
ihm heute den Pfeil in den Rücken gejagt. Fast schade, dass er so schnell
gestorben war. Sie hätte gern gesehen, wie er erkannte, wem er diesen Tod
verdankte. Für Grant waren alle Frauen Schlampen.
Da Maggie sich wenig
später erhängt hatte, hätte sie ihm durchaus gern noch ins Gesicht gespuckt und
dann noch einen weiteren Pfeil in den Schritt gejagt. Ja, den Gesichtsausdruck
hätte sie genießen können.
Blöd nur, dass er ihnen
nichts mehr über Harolds Pläne erzählen konnte.
Sie war fassungslos
gewesen, als sie den Brief gelesen hatte.
Dieser widerliche Wurm
hatte vor, sie in ein Kloster sperren zu lassen! In dem Brief hatte er seinem
Kompagnon mitgeteilt, dass „der Bastard nun aus dem Weg sei und das Balg bald
sein Mündel“.
Kathryn wusste, dass
ihr kleiner Bruder früher oder später mit Sicherheit einen fingierten Unfall
erleiden würde, und der Titel samt Vermögen an Harold fallen würde.
Das Schlimmste für sie
war jedoch, dass dieser Brief nur eine Bestätigung war. Der Plan
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