Ungezaehmte Leidenschaft
machen, während ich mit Matt im Institut bin?«
»Ich werde ganz langweilige Nachforschungen über Hollisters Finanzen anstellen. Da beide Hollisters so kurz hintereinander aus dem Leben geschieden sind, muss jemand das Vermögen erben. Ich möchte den Namen des Glücklichen in Erfahrung bringen.«
»Du glaubst, Geld könnte das Motiv hinter Hollisters Tod sein?«
»Geld ist immer ein starkes Motiv.«
»Ich dachte, wir wären uns einig, dass ein verrückter Wissenschaftler in dieser Affäre eine Rolle spielt«, sagte Owen. »Meiner Erfahrung nach sind Wissenschaftler, verrückt oder nicht, immer in Geldnöten.«
Virginia zog die Brauen hoch. »Eine sehr zutreffende Beobachtung.«
»Danke. Im Verlauf einer Ermittlung versuche ich mich ab und zu darin. Es gibt noch einen Blickwinkel, den ich erkunden möchte. Aber warte, ich habe ein kleines Geschenk für dich.«
Virginias Augen leuchteten freudig auf. »Also wirklich, Sir, das war doch nicht nötig.«
Er griff in seine Tasche und holte einen Dietrich hervor. »Mein Onkel hat ihn entworfen. Die Anwendung ist ganz einfach. Er funktioniert bei den meisten Standardschlössern.«
Matt verzog gequält das Gesicht. »Onkel Owen, das ist kein Geschenk für eine Dame.«
Virginia nahm den Dietrich erfreut entgegen. »Wie umsichtig. Ich habe mir so sehr einen eigenen gewünscht.«
Sie freut sich, dachte Owen bei sich. Zufrieden, dass sein erstes Geschenk für sie ein Erfolg war, sah er Matt mit triumphierendem Lächeln an. Matt verdrehte die Augen.
Owen ging zur Tür. »Matt kann dir beibringen, wie man ihn anwendet, bevor ihr ins Institut geht.«
36
Im Institut summte es vor Geschäftigkeit, als Virginia und Matt eintrafen. Praktiker, Forscher und Kunden drängelten in den Gängen und saßen gemütlich im Teesalon. Matt blickte sich interessiert um, während Virginia Regenschirm und Umhang dem Portier überließ.
»Das ist also das Leybrook Institute«, sagte Matt. »Nicht ganz das, was ich erwartete.«
»Und was haben Sie erwartet?«, fragte Virginia.
»Ich bin nicht ganz sicher«, gestand er. »In meiner Familie gilt die Ansicht, dass die meisten Menschen, die sich Praktiker nennen, Scharlatane und Betrüger sind. Ich hätte nicht gedacht, dass hier eine so akademische Atmosphäre herrscht.«
»Leybrook und alle anderen, die mit dem Institut in Verbindung stehen, arbeiten sehr hart daran, diese Atmosphäre zu schaffen«, sagte sie steif.
Matt lief rot an. »Entschuldigung, Ma’am. Ich wollte damit nicht andeuten, dass Sie ein Scharlatan sind. Natürlich weiß ich, dass es unter den Praktikern echte Talente gibt. Es leuchtet ein, dass sie sich in so professioneller Umgebung wie hier zusammenfinden.«
Virginia tat seine Proteste mit einer ungeduldigen Handbewegung ab. »Mein Büro ist oben.«
»Ja, Ma’am.«, sagte Matt. Kleinlaut folgte er ihr durch die große Eingangshalle.
Welchs Stimme ließ sie an der Treppe innehalten. »Guten Morgen, Miss Dean«, rief er, auf sie zueilend. »Ich erwarte Sie voller Ungeduld. Ich wollte Mrs. Fordham schon bitten, Ihnen eine Nachricht zukommen zu lassen.«
»Guten Morgen, Mr. Welch«, sagte sie. »Ich möchte Sie mit meinem neuen Assistenten, Mr. Kern, bekannt machen.«
»Ein neuer Assistent?« Welch schätzte Matt rasch kritisch ab und nickte dann wohlgefällig. »Sie sehen sehr präsentabel aus, junger Mann. Das ist hier im Institut sehr wichtig. Wir haben einen Ruf zu wahren. Mr. Leybrook besteht darauf.«
»Ja, Sir«, sagte Matt höflich. »Ich freue mich schon, Miss Dean assistieren zu dürfen.«
Welch wandte sich nun beflissen Virginia zu. »Ich habe eine großartige Neuigkeit, Miss Dean. Eben kam von einer neuen Kundin eine Anfrage für eine Privatkonsultation. Von einer exklusiven neuen Kundin, wie ich sagen darf. Mr. Leybrook wird höchst erfreut sein.«
»Wer ist die neue Kundin?«
»Lady Mansfield.«
Virginia spürte ein Flattern im Magen. Sie wusste, dass dieser nervöse Anfall von dem Schwall gemischter Gefühle herrührte. Unsicherheit, Neugier und ein tiefes Verlangen, ihre Halbschwester wiederzusehen, durchschossen sie. Doch ihr gesunder Menschenversand sagte ihr, dass jeder Versuch, eine Bindung zu Elizabeth herzustellen, fragwürdig war. Es war nicht im Interesse des Mädchens, eine persönliche Beziehung zu einer illegitimen Halbschwester zu haben, einer Schwester, die auf der sozialen Stufenleiter eine ganz andere Position innehatte. Eine solche Beziehung konnte Elizabeth’ Ruf schädigen
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