Ungezaehmte Leidenschaft
lächelnd auf das Nachttischchen. »Wie fühlst du dich?«
Er dachte kurz nach. »Ich glaube, ich fühle mich gut.« Vorsichtig steigerte er sein Talent. Erleichterung erfasste ihn, als er merkte, dass seine psychischen Sinne so stark wie eh und je waren. »Ja, es geht mir gut.«
»Gut. Mrs. Crofton macht Frühstück für uns alle. Ich schlage vor, dass du nach der Morgentoilette zu uns herunterkommst.«
Er blickte sich um. »Wo sind meine Sachen?«
»Tony hat sie weggeworfen, es war zu viel Blut daran. Heute früh hat er aus deinem Haus neue Sachen geholt.«
Er schnitt eine Grimasse. Ihn mit Blut befleckt zu sehen, zumal mit dem Blut eines Mannes, den er in der Nacht zuvor getötet hatte, hatte vermutlich keinen guten Eindruck bei ihr hinterlassen.
»Ich verstehe«, sagte er.
»Alles, was du brauchst, findest du im Schrank. Das Bad ist nebenan.«
Sie wollte gehen.
»Virginia«, sagte er leise.
Sie blieb stehen und sah ihn an. »Ja?«
»Letzte Nacht hast du mich gerettet.«
»Nein«, sagte sie. »Du bist stark. Du hast nur eine gewisse Zeit gebraucht, um dich von den Wirkungen des Spiegels zu erholen.«
»Ich kann nicht glauben, dass dieser verdammte Spiegel so viel Kraft besaß.«
»Es war eine alchemistische Waffe und kein gewöhnlicher Spiegel. Charlotte und Nick haben nachgeforscht und die Herkunft ermittelt. Sie werden dir alles darüber sagen, wenn du herunterkommst.«
Er wickelte das Laken um sich, stand auf und ging durch den Raum auf sie zu. »Was immer es war, dir ist zu verdanken, dass ich mit intakten Sinnen erwachte.«
»Nein, ich konnte die Kraft in dir spüren, auch im Zustand der Bewusstlosigkeit. Ich wusste, dass du dich wieder erholen würdest.«
»Weil ich dich zum Festhalten hatte.« Er hob ihr Kinn an und streifte ihren Mund mit seinen Lippen. »Zwischen uns ist eine Verbindung, Virginia. Gesteh es dir ein.«
»Vielleicht besteht eine Art psychischer Wahrnehmung.«
»Ja, ganz gewiss.« Er küsste sie auf die Stirn.
»So merkwürdig ist das nicht, wenn man es recht bedenkt«, sagte sie. Angestrengt konzentriert runzelte sie die Stirn, als ginge es um ein mathematisches Problem. »Wir beide sind starke Talente, und wir waren intim zusammen. Leidenschaft erzeugt sehr viel Energie.«
»Allerdings.« Er gab ihr einen Kuss auf die Nase.
»Wenn sie anhält«, flüsterte sie. Damit drehte sie sich blitzschnell um und floh.
Aus irgendeinem Grund empfand er geradezu lächerliche Freude über ihre Verwirrung. Es sah Virginia so gar nicht ähnlich, verlegen zu sein. Er wollte es als gutes Omen nehmen.
Als Owen wenig später das Esszimmer betrat, stutzte er. Was machten all die Leute hier? Virginia und Charlotte saßen am Tisch, vor sich Teller mit Eiern, Toast und Räucherlachs. Beide widmeten sich einer Morgenzeitung.
»Meine Damen«, sagte er. »Sie sehen heute reizend aus.«
Virginia blickte vom Flying Intelligencer auf, um ihn prüfend anzuschauen. Sie schien zufrieden. »Guten Morgen.«
Charlotte lächelte warmherzig. »Wie schön, dass Sie nach dem schlimmen Vorfall wieder so gut aussehen, Sir.«
»Nach dem Frühstück werde ich sicher noch besser aussehen«, gab Owen zurück.
Nick, Matt und Tony standen am Sideboard und nahmen sich von den Servierplatten, die dort standen.
»Höchste Zeit, dass du aufgewacht bist«, sagte Nick, einen Berg Rührei auf seinen Teller häufend. »Die Nacht war lang, und dank dir hat keiner von uns viel geschlafen, deshalb haben wir ohne dich mit dem Frühstück angefangen.«
»Ich bin gerührt.« Owen merkte erst jetzt, wie hungrig er war. Er griff nach einem Teller und begutachtete das Angebot. »Was zum Teufel treibt ihr hier in aller Herrgottsfrühe?«
»Wir waren die ganze Nacht über hier«, erwiderte Nick.
Die Schwingtür zwischen Küche und Esszimmer wurde geöffnet. Mrs. Crofton trat eilig mit einer Kaffeekanne ein. Bei Owens Anblick machte sie große Augen.
Sie sieht erfreut und entschieden besser gelaunt aus als sonst , dachte Owen. Die Haushälterin wirke fast energiegeladen.
»Dann sind Sie also wach, Sir«, sagte sie. »Und Sie sehen ausgesprochen gut aus, so wie Miss Dean es voraussagte.« Sie stellte die Kaffeekanne auf den Tisch. »Ich bringe gleich Nachschub an Kartoffeln.«
Sie fegte zurück in die Küche. Owen war sofort klar, dass sie wusste, was sich in der Nacht ereignet hatte. Er blickte Virginia an.
»Vor einer Haushälterin ist kein Geheimnis sicher«, sagte sie und widmete sich wieder wie Charlotte der
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