Ungezaehmte Nacht
gehörte zu Nicolai. Sie teilten etwas sehr Ernstes und Intimes, für das es sich zu kämpfen lohnte.
Gleich nach dem Ankleiden löste sie Francesca ab, die sehr müde aussah, nachdem sie die ganze Nacht versucht hatte, Lucca zu unterhalten. Er hatte gehustet, war unruhig und manchmal vom Fieber wie von Sinnen gewesen, aber es hatte auch Momente gegeben, in denen er Francesca geneckt und ihr Geschichten erzählt hatte. Isabella sah, wie sorgfältig Nicolais Schwester ihn zudeckte, bevor sie ging, um sich ein paar Stunden Schlaf zu gönnen.
Isabella setzte sich mit ihrem Strickzeug neben Luccas Bett. Ihr Tee und Frühstück wurden ihr ins Zimmer ihres Bruders gebracht, und es folgte ein ruhiger Morgen, bis Lucca erwachte.
Er lächelte sie an, und seine dunklen Augen waren voller Liebe. »Du hast es geschafft, Isabella. Du hast mir das Leben gerettet und ein Wunder gewirkt. Aber habe ich dich dadurch an ein Ungeheuer gefesselt? Wie ist er, dieser Don, der meine Schwester für sich beansprucht hat?«
Isabella konnte die heiße Röte spüren, die ihr in den Nacken stieg. »Du hast ihn doch schon kennengelernt. Er ist ein wunderbarer Mann.« Als Lucca fortfuhr, sie prüfend anzusehen, seufzte sie. Sie hatte ihn noch nie belügen können. »Die Geschichten sind wahr, Lucca. Die von der Legende, den Löwen und dem Mann. Es ist alles wahr. Doch ich liebe ihn und will bei ihm sein. Er versucht, mich zu beschützen, aber ehrlich gesagt haben wir noch nicht herausgefunden, wie der Fluch gebrochen werden kann.« Und dann erzählte sie ihm alles, bis ins kleinste Detail, außer der Tatsache natürlich, dass sie mit dem Don bereits das Bett geteilt hatte.
Luccas dunkle Augen spiegelten seinen inneren Aufruhr wider, er rieb sich nachdenklich die Schläfen. Er war kein Mensch, der Zeit mit Bedauern über Dinge verschwendete, die sich nicht mehr ändern ließen. »Wenn ich deine Flucht in die Wege leiten könnte, würdest du dann gehen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Niemals.«
»Ich befürchtete schon, dass du das sagen würdest.« Bewunderung erschien in seinem Blick. »Dann wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als schnellstens gesund zu werden und dir Rückendeckung zu geben. Was ist mit Francesca? Ich kann mir bei ihr nicht vorstellen, dass sie herumschleicht und versucht, dich zu ermorden. Sie war so nett zu mir.«
Isabella warf ihm einen scharfen Blick zu. In seiner Stimme schwang etwas mit, was sie bei ihm noch nie gehört hatte. »Sie ist eine bemerkenswerte junge Frau, die anders ist als die meisten und außergewöhnliche Fähigkeiten hat. Sei bitte auch nett zu ihr, Lucca! Ich sehe diesen lausbübischen Blick in deinen Augen, wenn sie in der Nähe ist.«
Er grinste nur. »Sie schnappt so wunderbar nach jedem Köder, wie könnte ich da widerstehen?« Doch dann verblasste sein Lächeln. »Sei vorsichtig, Isabella, bis ich wieder bei Kräften bin und dir beistehen kann! Wenn wir dies alles zusammen durchdenken, müssten wir eigentlich einen Ausweg finden.«
»Ich werde Nicolai nicht verlassen«, erklärte Isabella unbeirrbar.
Nach einem kaum zu hörenden Klopfen trat Francesca ein. »Wie geht es dir heute Morgen, Lucca? Ich erwachte früher als erwartet und dachte, ich setze mich zu dir und leiste dir Gesellschaft, wenn du willst. Falls du also irgendetwas anderes zu erledigen hast, Isabella …«
Isabella, der das erfreute Lächeln ihres Bruders bei Francescas Eintreten nicht entgangen war, stand mit einem kleinen Seufzer auf. Lucca hatte weder Ländereien noch irgendetwas anderes zu bieten, falls er auf die Idee kommen sollte, Francesca zu heiraten, und sie trug das DeMarco-Erbe in ihrem Blut. » Grazie , Francesca«, sagte sie und küsste ihren Bruder auf die Stirn. »Ich glaube, es geht ihm schon viel besser, also hüte dich vor seinen Neckereien!« Sie lächelte Lucca an und strich ihm das Haar zurück. »Und du benimmst dich, ja?«
Er antwortete mit einem Grinsen, bei dem ihr ganz warm ums Herz wurde. Mit jeder Stunde wurde er mehr der Alte.
Auf dem Weg durch den Palazzo war Isabella sich sehr wohl der beiden Wachen bewusst, die Nicolai zu ihrem Schutz abgestellt hatte, doch sie ignorierte sie, als sie zur Bibliothek ging, die ihr einziger Zufluchtsort war. Da ihre Gedanken jedoch noch immer um Lucca und Francesca kreisten, dauerte es eine Weile, bis ihr auffiel, dass die Dienstboten, an denen sie vorbeikam, in Grüppchen zusammenstanden und leise, aber sichtlich aufgeregt miteinander tuschelten.
In
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