Ungezaehmte Nacht
Dank auch für die Kleider, Don DeMarco. Ich hatte sehr wenig angemessene Garderobe bei mir. Auch das Zimmer, das Ihr mir überlassen habt, ist sehr schön und das Bett bequem. Ich hätte mir keine bessere Fürsorge wünschen können. Signora Sincini hat sich wunderbar um mich gekümmert.«
»Es freut mich zu sehen, dass die Kleider Euch passen. Habt Ihr Euch von Eurer Reise gut erholt?«
»Ja, grazie «, erwiderte sie bescheiden.
»Es war töricht, Euch in Gefahr zu begeben, und wäre Euer Vater noch am Leben, würde er sicher dafür sorgen, dass Ihr bestraft würdet für diese Torheit. Ich bin geneigt, diese Aufgabe sogar selbst zu übernehmen.« Seine Stimme, die weich wie Samt war, sandte ein Kribbeln über ihre Nervenenden, das wie die Berührung sanfter Fingerspitzen war und ihre Haut erwärmte, und Isabella war froh über die Hitze des Feuers, das die jähe Röte erklären könnte, die sich in ihre Wangen stahl. Der Don tadelte sie, doch seine Stimme war beinahe wie ein Streicheln, und Isabella merkte, dass sie aus irgendeinem Grund extrem empfänglich dafür war.
»Man hatte Euch wiederholt gewarnt, nicht hierherzukommen. Was für eine Art von Frau seid Ihr, dass Ihr Euren Ruf und Euer Leben durch eine solche Reise aufs Spiel setzt?«
Isabellas Hände ballten sich zu Fäusten, bis ihre Fingernägel sich in ihre Handballen gruben. Sie hatte das Gefühl, so scharf von ihm beobachtet zu werden, dass ihm nicht einmal diese kleine, aber vielsagende Rebellion entging, und deshalb brachte sie ihre Hände unauffällig zwischen den Falten ihrer Röcke außer Sicht.
»Ich bin eine Frau, die zutiefst verzweifelt ist«, gestand sie, während sie vergeblich versuchte, die Dunkelheit mit ihren Blicken zu durchdringen und etwas mehr von ihm zu sehen. Von ihrem Platz aus wirkte er wie ein großes, mächtiges, nicht ganz menschliches Wesen. Der Vogel, der auf seinem Arm hockte und sie aus scharfen runden Augen anstarrte, erhöhte ihre Nervosität noch. »Ich musste Euch sprechen, Don DeMarco, um Euch anzuflehen, meinem Bruder das Leben zu retten. Ich hatte Boten geschickt, aber es gelang keinem von ihnen, Euch zu erreichen. Deshalb habe ich mich selbst auf die Reise gemacht, weil ich weiß, dass Ihr meinem Bruder helfen könnt.«
Sie schluckte das unerwartete Schluchzen herunter, das in ihr aufstieg und sie zu ersticken drohte. »Er ist zum Tode verurteilt worden und befindet sich in Don Rivellios Verliesen. Mein Bruder, Lucca Vernaducci, wird seit fast zwei Jahren gefangen gehalten, und die Zustände dort sind fürchterlich. Ich habe gehört, dass er krank ist, und deshalb kam ich her, um Euch anzuflehen, ihn zu retten. Ich weiß, dass Ihr die Macht besitzt, seine Begnadigung zu erreichen. Ein Wort von Euch, und Don Rivellio würde ihn freilassen. Und wenn Ihr nicht ganz unumwunden einen solchen Gefallen erbitten wollt, könntet Ihr vielleicht dafür sorgen, dass mein Bruder fliehen kann.«
Zu verzweifelt, um sich noch länger zurückzuhalten, platzte sie mit ihrer Bitte heraus und beugte sich flehend zu der dunklen Ecke vor. »Bitte tut es, Don DeMarco! Mein Bruder ist ein anständiger Mann. Lasst ihn nicht sterben, ich bitte Euch!«
Ein langes Schweigen entstand. Nichts rührte sich in dem großen Raum, nicht einmal der Falke. Dann seufzte Don DeMarco leise. »Was wird ihm vorgeworfen?«
Isabella zögerte, und ihr Magen verkrampfte sich. Sie hätte wissen müssen, dass er das fragen würde. »Hochverrat. Es heißt, er habe sich gegen den König verschworen.« Es war nur fair, DeMarco aufrichtig zu antworten.
»Ist er schuldig? Hat er sich gegen den König verschworen?«, hakte Don DeMarco mit einem kaum hörbaren Knurren nach.
Isabellas Herz begann zu rasen, und sie biss sich auf die Lippe. »Ja«, erwiderte sie sehr leise. »Lucca war der Meinung, wir sollten die Regierungen all der anderen Länder stürzen, die versuchen, uns zu beherrschen, und dass keine fremde Regierung sich um unser Volk scheren würde. Aber wem könnte er jetzt noch schaden? Er ist krank, und unsere Ländereien, unsere Besitztümer – alles, was wir hatten – wurden konfisziert und Don Rivellio übergeben. Der Don will Lucca tot sehen, um jeden Zweifel auszuräumen, dass er unseren Besitz behalten kann. Die Wahrheit ist, dass Don Rivellio meinen Bruder aus ureigenem Interesse verhaften ließ und mächtig davon profitierte. Es ist also von großem Vorteil für ihn, unseren Namen zu beschmutzen und meinen Bruder aus dem Weg zu
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