Ungezaehmte Nacht
räumen.«
»Zumindest habt Ihr den Anstand, die Wahrheit über das Verbrechen Eures Bruders zu gestehen.«
Isabella reckte hochmütig das Kinn. »Unser Name ist ein ehrenhafter.«
»Das war er, bis Euer Bruder zu laut die Ansichten eines Geheimbundes verkündete. Solche Dinge bespricht man nicht mit x-beliebigen Leuten in einer Taverne.«
Isabella ließ den Kopf hängen und verschränkte nervös die Finger. Ihr Vater und Bruder hatten darauf bestanden, dass der Bund an Boden gewann und kleine Einheiten von Männern die nötige Macht ansammelten, um Außenseiter zu besiegen. Sie lehnten es ab, sich irgendeiner Regierung zu beugen, weil sie den Motiven von Ausländern, die ihnen Bündnisse zusicherten, misstrauten. Sie schworen omertà – den Eid des Schweigens bis zum Tod.
»Es gab keine Beweise!«, erwiderte sie hitzig. »Don Rivellio bezahlte diese angeblichen Zeugen für ihre Aussagen. Lucca hat nie geredet. Don Rivellio wollte, dass andere glaubten, er hätte es getan, damit die Mitglieder des Geheimbundes ihn ermordeten. Er wurde des Hochverrats angeklagt und zum Tode verurteilt.« Ihre Augen brannten von unterdrückter Wut. »Lucca wurde gefoltert, aber er gab keine Namen preis und belastete niemand anderen. Er hat nie geredet.«
»Ist Euch schon einmal der Gedanke gekommen, dass Ihr Euch durch Euer Herkommen in die gleiche unhaltbare Position gebracht haben könntet wie die Eures Bruders? Woher wollt Ihr wissen, dass ich kein Verbündeter von Don Rivellio bin? Was könnte mich davon abhalten, Euch ihm auszuliefern und Eure verräterischen Worte zu wiederholen? Es wäre auf jeden Fall viel leichter als das, was Ihr mir vorschlagt, und es würde mir nicht nur die Dankbarkeit des Dons einbringen, sondern er wäre mir dann auch noch einen Gefallen schuldig. Die Welt der Macht funktioniert nach dem Prinzip von Intrigen und Gefälligkeiten.« Seine Stimme war noch leiser geworden, und Isabella fröstelte trotz der Wärme des Feuers. Bestimmt hatte noch nie zuvor jemand eine solche Drohung mit derart sanfter Stimme ausgesprochen.
»Ich bin mir des Risikos, das ich eingehe, sehr wohl bewusst«, erwiderte sie mit trotzig vorgeschobenem Kinn.
»Seid Ihr das?« Die drei Worte waren kaum mehr als ein Flüstern, jedoch unheilvoll und drohend. »Ich glaube, dass Ihr in Wahrheit keine Ahnung habt.« Wieder breitete sich Schweigen zwischen ihnen aus, bis Isabella vor Anspannung hätte schreien können. Der Falke auf dem Arm des Dons starrte sie reglos an, und Isabella fröstelte unwillkürlich. »Was für eine Art von Mann würde seine Schwester losschicken, damit sie um sein Leben fleht? Er muss doch gewusst haben, dass Ihr durch Euer Herkommen Euer eigenes riskiert.«
Sie biss sich auf die Lippe. »Ehrlich gesagt wäre er sogar böse auf mich, wenn er davon wüsste. Aber mir war klar, dass ich keine andere Wahl hatte.«
»Habt Ihr bei Don Rivellio auch so eindringlich Fürsprache für Euren Bruder eingelegt?« Diesmal brachte seine Stimme etwas anderes, etwas nicht näher zu Bestimmendes zum Ausdruck, das jedoch sofort eine schreckliche Furcht in ihrem Herzen weckte. Sie sah das Aufblitzen seiner weißen Zähne, als fletschte er sie beim bloßen Gedanken an ein solches Vorgehen.
Sie hätte geantwortet, was immer er hören wollte, um ihn zu ermutigen, ihr zu helfen, doch da sie keine Ahnung hatte, was das sein könnte, blieb sie bei der Wahrheit. »Nein, ich konnte mich nicht dazu überwinden, so etwas zu tun. Werdet Ihr mir helfen?« Sie konnte die Ungeduld in ihrer Stimme kaum noch dämpfen.
»Was gedenkt Ihr zu unternehmen, falls ich Euer Ansinnen ablehne?«
Zumindest hatte er es nicht sofort abgelehnt. »Ich werde selbst versuchen, ihn zu retten.«
Da regte er sich, und weiße Zähne blitzten im Dunkeln auf, als lächelte er belustigt. »Verstehe. Und falls ich zustimme, Euch bei Eurem Plan zu unterstützen, Euren schuldigen Bruder zu befreien, was springt dabei für mich heraus? Ihr habt kein Land, das Ihr mir geben könntet. Und auch kein Geld. Eure Loyalität Eurem Bruder gegenüber ist lobenswert, aber ich bezweifle, dass ich die gleiche in Euch hervorrufen würde. Wie gedenkt Ihr Euch also bei mir zu revanchieren? Oder dachtet Ihr, ich würde mein Leben und das meiner Soldaten für nichts und wieder nichts riskieren?«
»Natürlich nicht.« Sie war schockiert, dass er so etwas von ihr annahm. »Ich bin eine Vernaducci«, sagte sie stolz. »Wir bleiben niemandem etwas schuldig. Ich habe den Schmuck
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