Ungezaehmte Nacht
hört nicht immer richtig zu. Das Weihwasser war zu Eurem Schutz, aber nicht als Bad gedacht.«
Alberita knickste vor Isabella, während sie entsetzt, mit aschfahlem Gesicht und Tränen in den Augen zu ihr aufblickte. » Scusi, scusi, Signorina! Bitte sagt es nicht dem Herrn!«
»Aber nein, ich bin dir sogar dankbar für den Schutz, Alberita. Nun kann ich beruhigt gehen und mich meinem Schicksal ohne Furcht im Herzen stellen. Sicherlich habe ich jetzt auch zusätzlichen Schutz vor jedem, der mir Böses will.«
Sarina schüttelte den Kopf und tupfte Isabella behutsam das Gesicht ab. »Es ist sehr freundlich von Euch, so verständnisvoll zu sein. Die meisten anderen hätten verlangt, dass die Kleine dafür auspeitscht wird.«
»Ich bekleide heutzutage keinen höheren Rang als Ihr, Signora «, bekannte Isabella ohne Scham. »Und ich halte nichts vom Auspeitschen. Außer vielleicht«, fügte sie halblaut hinzu, »bei Don Rivellio, dem eine ordentliche Tracht Prügel vielleicht ganz gut bekommen würde.«
Es zuckte um Sarinas Mund, doch sie verkniff sich ein Lächeln. »Kommt, wir dürfen uns nicht verspäten! Don DeMarco hat sehr viel zu tun. Und achtet bitte darauf, ihm manierlich und respektvoll zu begegnen!«
Isabella warf ihr einen Blick zu, beinahe sicher, dass die ältere Frau sich über sie lustig machte, aber Sarina hatte sich schon abgewandt, um durch die breiten Korridore und Bogengänge voranzugehen. Sie eilten an mehreren Bediensteten vorbei, die bei der Arbeit waren, und Isabella fiel auf, dass alle sie mit feierlichen Mienen ansahen, einige sogar mit einem angespannten Lächeln. Und alle schlugen ein Kreuz in ihre Richtung, als segneten sie sie.
Weihwasser und Segenswünsche von den Dienstboten. Isabella räusperte sich. » Signora , ist Don DeMarco ein Mitglied der Heiligen Kirche?« Isabellas Stimme schwankte ein wenig, aber sie war stolz darauf, dass sie die Worte ohne Stottern hervorgebracht hatte. Irgendwie hatte sie nämlich doch das ungute Gefühl, dass all die Gerüchte über den Don letztendlich stimmten. Sie sandte ein schnelles, stummes Stoßgebet zum Himmel, dass Don DeMarco und Gott auf freundschaftlichem Fuße miteinander standen.
Sarina Sincini antwortete nicht, sondern ging eilig weiter und führte sie auf einen großen, offenen Innenhof mit mehreren gewundenen Treppen, die in verschiedene Richtungen hinaufführten. Im Mittelpunkt des Innenhofs stand ein Springbrunnen, dessen Wasser fast bis zum ersten Stock emporsprudelte. Es verschaffte Isabella eine gewisse Erleichterung zu sehen, dass alle Teilstücke des Brunnens mit einem Kreuz versehen waren. Am Fuße einer jeden runden Säule befand sich jedoch auch der unvermeidliche Löwe, groß und muskulös, mit einer lohfarbenen, zum Rücken hin in Schwarz übergehenden Mähne. Aber das Plätschern des Wassers hatte eine beruhigende Wirkung, und die kunstvollen Steinreliefs freundlich aussehender Figuren ganz oben auf dem Brunnen waren noch ermutigender.
Isabella wäre gern einen Moment geblieben, um sich die beeindruckende Skulptur genauer anzusehen, doch Sarina eilte schon eine der gewundenen Treppen hinauf. Während Isabella hinter ihr die scheinbar endlosen Stufen hinaufstieg, glitt ihr Blick über die Reihe von Porträts an der Wand. Eines der dargestellten Gesichter, das eines Mannes, war so schön, dass ihr ganz weh ums Herz wurde. Seine Augen waren überschattet von Qual und tiefem Kummer, und Isabella war so ergriffen von diesem Blick, dass sie den Mann in die Arme nehmen und ihn trösten wollte. Seltsamerweise hatte sie das Gefühl, ihn zu kennen und diese Augen schon einmal gesehen zu haben. Als sie an dem Bild vorbei zum nächsten blickte, erkannte sie das Gesicht sofort. Es waren Francescas lachende Augen, die spitzbübisch und fröhlich in die Welt schauten. Das Gemälde musste erst kürzlich entstanden sein, da Francesca darauf fast das gleiche Alter hatte wie im Augenblick. Wer mochte sie sein? Eine junge Cousine des Dons? Der Künstler hatte ihr Wesen, ihre Wärme und ihre fröhliche Natur sehr gut erfasst. In dieses reizende Gesicht zu sehen, machte Isabella Mut, und sie straffte die Schultern, um Sarina nachzueilen.
Der Weg führte um viele Ecken und Windungen herum, durch zahlreiche Gänge und an dunklen Nischen, noch mehr Buntglasfenstern und mit kunstvollen Schnitzereien versehenen Bögen vorbei. Isabella hätte all das gern näher erforscht. Bei Tageslicht wirkte das castello offener, luftiger und viel weniger
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