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Ungezaehmte Nacht

Ungezaehmte Nacht

Titel: Ungezaehmte Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feehan
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blickte wieder zu dem Reiter zu seiner Linken hinüber. Sergio Drannacia lauschte aufmerksam. Offensichtlich verstand keiner der beiden Männer, warum sie so abrupt das Kastell verlassen hatte, und sie wollten sie gern zum Bleiben überreden.
    »Es war Don DeMarco, der befahl, dass ich das Tal unverzüglich zu verlassen hatte, Signor Bartolmei. Es war nicht meine Entscheidung, mitten in einem solchen Unwetter aufzubrechen«, erwiderte sie hocherhobenen Hauptes.
    Der Hauptmann wechselte einen langen, ungläubigen Blick mit Sergio. »Man ließ Euch in das Tal, Signorina – was an sich schon ein wahres Wunder ist. Ich hätte mir gewünscht, dass Ihr noch mehr von unserem großartigen Land sehen könntet. Unsere Leute sind wohlhabend und glücklich.«
    Dass die Leute unter den gegebenen Umständen glücklich sein konnten, war schwer zu glauben. Isabella holte tief Luft. »In der Nacht meiner Ankunft hörte ich einen fürchterlichen Schrei, und die Löwen brüllten wie verrückt. Jemand wurde in jener Nacht getötet. Was ist geschehen?« Sie gab sich Mühe, ruhig zu erscheinen, als wüsste sie mehr über den Zwischenfall, als es der Fall war.
    Der Hauptmann wechselte wieder einen raschen Blick mit Drannacia, der mit den breiten Schultern zuckte. »Es war ein Unfall«, sagte Hauptmann Bartolmei. »Einer der Männer wurde unvorsichtig. Wir dürfen nie vergessen, dass die Löwen nicht zahm sind, sondern wilde Tiere und als solche respektiert werden müssen.«
    Isabella entging nicht, wie angespannt und knapp der Tonfall seiner Stimme war.
    Sie hatte früher viel von ihrem Vater und Bruder erfahren, indem sie auf die kleinsten Nuancen ihres Tons geachtet hatte. Und deshalb wusste sie, dass der Hauptmann seine eigene Erklärung nicht ganz glaubte. Außerdem fühlte er sich unwohl mit den lautlos und ungesehen neben ihnen herlaufenden Bestien, und von Unfällen zu sprechen linderte die Spannung nicht. Tatsächlich vergrößerte sie sich sogar noch, bis die Nerven förmlich schrien.
    Sie ritten vielleicht eine Stunde, aber der Schneesturm hielt sie sehr auf. Die Sicht war schlecht, und der Wind, der zu heulen und zu stöhnen begonnen hatte, erfüllte jetzt die gespenstische Stille nach dem Verstummen des Löwengebrülls. Isabella zog ihr Cape noch fester um sich, um die unerbittliche Kälte abzuhalten. Sie schien in ihren ganzen Körper einzudringen und ihr Blut zu Eis erstarren zu lassen, und sie zitterte am ganzen Leib. Nass und unglücklich, die Hände trotz der Handschuhe taub vor Kälte, wurde sie fast abgeworfen, als ihr Pferd abrupt den Schritt verhielt und sich halb aufbäumte. Bei dem Versuch, es zu beruhigen, spähte Isabella durch das dichte Schneetreiben.
    Und ihr blieb fast das Herz stehen, als sie etwas Großes, ganz von Schnee Bedecktes sah, unter dem trotzdem noch gelbbraune und schwarze Flecken zu erkennen waren. Augen glühten durch die weißen Eiskristalle, Augen voller List und Intelligenz. Isabella stockte der Atem, und sie erstarrte und ließ vor Schreck die Zügel fallen, als das Pferd zur Seite tänzelte und dann nervös nach hinten auswich.
    Der Hauptmann beugte sich zu ihr herüber, ergriff die Zügel ihrer Stute und wendete beide Pferde. »Die Löwen bewachen den Pass!«, schrie er. »Sie werden Euch nicht gehen lassen.«
    Es hatte etwas sehr Unheil Verkündendes, wie das große Raubtier auf dem schmalen Felsvorsprung am Eingang zu dem Pass stand und den Blick auf Isabella gerichtet hielt. Diese eindringliche Aufmerksamkeit galt ausschließlich ihr und erkannte sie. Es war faszinierend und Furcht erregend zugleich.
    »Es ist nicht nur das Tier, das Ihr sehen könnt, vor dem Ihr Euch hüten müsst. Löwen jagen im Rudel. Wo einer ist, sind viele. Wir müssen Euch zurückbringen.« Der Hauptmann führte nach wie vor ihr Pferd, aber seine Stimme riss Isabella aus dem Bann des Raubtieres, und sie griff schnell nach den Zügeln, um die Kontrolle über ihre Stute zurückzugewinnen. Hauptmann Bartolmei brauchte seine beiden Hände, denn auch sein Wallach bockte und schnaubte aufgeregt.
    Es war nervenaufreibend, nahezu blind durch das dichte Schneetreiben zu reiten, auf einem Pferd, das vor Angst zitterte und schwitzte, während die anderen Tiere sich aufbäumten und ausschlugen, schnaubten und in ihrer Panik große Wolken weißen Dampfes ausstießen. Manchmal ertönte dieses seltsame, hustenähnliche Geräusch zu ihrer Linken, ein paar Minuten später zu ihrer Rechten, dann hinter ihnen und vor ihnen. Die

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