Unglaubliche Reise des Smithy Ide
meiner dicken Kleidung. Dann hörte ich die Motoren. Ich schaute zur Straße, aber kein Schneepflug hatte das Tal freigeräumt. Das Motorengeräusch wurde lauter. Ich konzentrierte mich darauf, aber das Dröhnen hallte von Bäumen und Bergen wider und schien von überall her zu kommen. Ich spähte über eine erstaunlich laute weiße Landschaft hinaus.
Dann erblickte ich sie alle gleichzeitig. Drei Schneemobile, weiß und orange, sausten auf breiter Parallelbahn durch das Tal. Eins auf der Straße, eins mitten über das Feld, und eins auf dem Grat oberhalb des Flusses. Ich winkte und rief. Alle kamen ungefähr gleichzeitig bei mir an. Ich sah eine hübsche junge Frau und einen fettgesichtigen, rothaarigen Typen in grünen Polizeijacken und einen Mann in einer rot karierten Jacke und einer Tarnhose. Der Rotkarierte war außer sich.
»Haben Sie einen kleinen Jungen gesehen? Einen kleinen Jungen?«, brüllte er, noch ehe er angehalten hatte.
»Im Zelt!«, schrie ich durch den Motorenlärm.
»In welchem Zelt?«, fragte der rothaarige Cop.
Ich drehte mich um. Das Zelt hinter mir war völlig zugeschneit.
»Da drin.« Ich zeigte auf das Loch, aus dem ich gekrochen war. Der Rotkarierte stürzte sich kopfüber hinein, und dann kam er wieder heraus und zerrte meinen Schlafsack mit Kenny darin hinter sich her.
Die Polizistin watete durch den hüfttiefen Schnee zu Kenny. Der andere Polizist behielt mich im Auge.
»Wie lange haben Sie den Jungen gehabt?«
»Ich weiß nicht genau. Sie wissen ja … Wie lange hat es geschneit?«
»Hören Sie auf mit den Klugscheißereien. Beantworten Sie meine Frage.«
»Ich weiß nicht genau, wie lange er im Zelt war.«
»Wo haben Sie ihn her? Wo haben Sie ihn geschnappt? Was haben Sie mit dem Jungen gemacht?«
Kennen Sie das, so wütend zu werden, dass Sie alle Wut hinter sich lassen und nur noch umbringen wollen, was Sie wütend macht? So werde ich nicht. Ich lasse einfach los. Es ist, als könnte ich gar nichts mehr sehen oder hören. Erst recht seit Dr. Georgina Glass. Ich wandte mich ab und sah Kenny an, seinen kleinen Kopf, der die beiden andern anschaute, seinen lebendigen, nicht erfrorenen, wachen kleinen Kopf.
»Antworte mir, Drecksau!«
Ich stapfte hinüber zu den andern. Der Rotkarierte weinte, und was ich in seinem Schluchzen hörte, war Erleichterung. Ich sprach mit der jungen Frau in der Polizeijacke.
»Ich war mit dem Rad unterwegs und hab einen Abstecher zum Fluss gemacht, um ein Nickerchen zu machen. Als ich aufwachte, schneite es, und obwohl ich dachte, es ist Blödsinn, hab ich mein Zelt aufgebaut. Jetzt bin ich froh, dass ich es getan habe, denn es wurde immer schlimmer. Und dann hörte ich Kenny. Es war reines Glück, dass ich ihn überhaupt noch gefunden habe. Er hatte Sommersachen an und war ganz durchnässt. Deshalb hab ich ihn in den Schlafsack gestopft und mein warmes Zeug angezogen. Wir hatten Glück.«
»Was sagt der Scheißkerl?«, schrie der Polizist, der ein paar Schritt weit entfernt stand.
»Danke! Danke!«, weinte der Rotkarierte.
»Der Kleine hatte wirklich Glück«, sagte die Polizistin.
»Ich hab diesem Perversen eine Frage gestellt! Ich hab ihm eine gottverdammte Frage gestellt!«, schrie der andere über das Dröhnen seines Schneemobils hinweg.
»Kenny sagt, Sie haben ihn gerettet«, sagte der Rotkarierte unter Tränen.
Die junge Frau lächelte mich an. Sie wollte einen Schritt vorwärts tun, stolperte und fiel. Rasch griff ich nach ihr und wollte sie um die Taille fassen, damit sie nicht ins Zelt stürzte, und der fettgesichtige Rothaarige schoss auf mich.
48
B is zu Bethanys Hochzeit war es noch ein Monat, und Jeff Greene verbrachte schrecklich viel Zeit in unserem kleinen Haus in East Providence. Der Mai war eine wunderbare Zeit in Rhode Island. Überall Blumen und Blüten, die Menschen gehen spazieren, alte Italiener sitzen in ihren winzigen Gärten – lauter solche Sachen. Es war eine entspannte Zeit, und die Ides waren entspannt.
Eins der Dinge, an die ich mich erinnere: Ich kam aus meinem Apartment in der Nähe von Goddard Toys nach Hause zum Abendessen. Mom hatte Kabeljaupfannkuchen mit Kartoffeln und Salat mit Eiswürfeln gemacht. Ich nehme an, es war eine europäische Sache, Eiswürfel an grünen Salat und Gurken zu geben, aber es war wunderbar. Nach dem Essen blieben Bethany und Mom kichernd in der Küche und räumten auf, und ich, Jeff Greene und mein Pop gingen ins Wohnzimmer und schauten uns ein »Red Sox«-Spiel an. Ich
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