Unglaubliche Reise des Smithy Ide
Brown-Campus, und deshalb sind dort immer Scharen von hochgescheiten Kids unterwegs. Sheila war sehr nett zu Pop. Sie lächelte und sagte, sie habe eigentlich nichts weiter hinzuzufügen und sie hoffe wirklich, dass es Bethany bald wieder gut ginge. Sie hatte ein graues T-Shirt an, auf dem BRUINS stand. Ihre Nippel, das weiß ich noch, zeigten irgendwie aufwärts, und sie hatte das Haar nach hinten zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. 1962 trugen alle intelligenten Mädchen auf der High School Pferdeschwänze, und es war wunderbar, bei diesem College-Mädchen auch einen zu sehen. Sie rauchte eine Marlboro, und der Filter war mit Lippenstift beschmiert. Ich rauchte nicht, aber als mein Pop aufs Klo ging, fragte ich sie, ob ich auch eine haben könnte. Ich steckte sie mir hinters Ohr – auf der Seite, die mein Pop nicht sehen konnte – und sah damit dünn und cool aus. Sie sagte, sie verstehe ja, wie besorgt mein Pop sei, aber sie habe ihm alles erzählt, was sie wisse. Sechs Mal. Sie könne sich jetzt nicht mehr mit ihm treffen – und ob ich ihm das wohl sagen würde, wenn er zurückkäme? Ja, sagte ich. Dann fragte ich sie, ob sie mit mir ausgehen wollte. Sheila Rothenberg lachte so sehr, dass ihr der Kaffee aus der Nase lief.
9
M om und Pop wurden zusammen in einem Grab in Swan Point beerdigt. Mein Pop hatte ihre Namen schon in den großen Marmorgrabstein seiner Eltern meißeln lassen, und ich brauchte jetzt nur noch die Daten in Auftrag zu geben. Onkel Count erzählte unablässig, wie sparsam mein Pop immer gewesen und wie vernünftig es doch sei, ein gemeinsames Grab zu nehmen, und was für eine Wahnsinnslage meine Eltern da hätten. Und ich dachte immer, wie seltsam es war, einen dreihundert Pfund schweren Mann über meinem Pop stehen zu sehen.
Der Gottesdienst in der Grace Church fand an dem Donnerstag um halb zehn statt. Dann ging es zur Beerdigung nach Swan Point, und danach kamen alle zu Mom und Pop nach Hause zu einem formlosen Imbiss und lautem Geflachse. Tante Paula war gekommen und hatte mich gegen fünf geweckt, damit sie alles vorbereiten konnte. Nach der letzten Aufbahrung mit Mom und Pop hatte ich mich mächtig betrunken, und deshalb war ich keine große Hilfe, aber die brauchte Tante Paula auch nicht. Sie hatte einen aufgeschnittenen Schinken und ein aufgeschnittenes Roastbeef mitgebracht, einen Riesenberg Kartoffelsalat und pikante Eier und Champignonsalat und Makkaronisalat und schwedische Fleischklopse und Nudelsalat und Brot und Bananengelee und ihre berühmten hellbraunen Karamell-Brownies mit Mandeln statt Walnüssen. Ich trank ein paar Bier, um für den Gottesdienst einen klaren Kopf zu bekommen.
Der Count war Zeremonienmeister. Er hatte allen in der Kirche und allen auf dem Friedhof gesagt, dass auf die Gebete am Grab ein zwangloses Beisammensein in unserem Haus folgen werde. Sechzig oder siebzig Leute erschienen. Der Count war außer sich.
»Eine tolle Beteiligung«, flüsterte er mir zu. »Werde gleich mal durchzählen. Das ist toll.«
Ein paar Mitglieder des Baseballclubs Socony kamen auch. Der Fänger, Billy Pierce, und Junior Bobian, der vermutlich der berühmteste Innenfeldspieler in der Geschichte von Rhode Island war. Eine Abteilung der East Providence Little League war nach ihm benannt. Die Junior Bobian Division. Armando Fecabini kam auch. Er war der beste Freund meines Pop, und es ist schwer, auch nur an ihn zu denken, denn in New England und bei uns zu Hause war es gut, sehr gut, die Dinge für sich zu behalten. Gefühlsregungen blieben eingesperrt. Deshalb hat Gott uns eine Haut gegeben.
Aber Armando Fecabinis Emotionen ließen sich nicht einsperren. Er war untröstlich. Ich sehe ihn noch vor mir, wie er vor Pops kleinem Fernseher in der Küche sitzt und alte Bilko-Shows anschaut und heult, während die Leute ringsum vergnügt zuhören, wie der Count seine Witze erzählt, einen endlosen Strom von Iren-, Portugiesen-, Italiener-, Schwarzen-, Puerto-Ricanerund Chinesen-Witzen, Witzen über Frauen mit riesigen Brüsten, Männer mit krummen Schwänzen und Mädchen, die Bowlingkugeln durch einen Gartenschlauch saugen konnten.
»Kannst du den Kerl nicht rausschaffen?«, fragte Onkel Count mich leise.
»Er trauert.«
»Ich weiß, dass er trauert. Ich trauere auch. Aber ich trauere im Stillen und verderbe nicht allen andern die Stimmung. Er regt deine Tante auf.«
Ich kannte Armando Fecabini, und sein Schluchzen regte Tante Paula überhaupt nicht auf. Wenn Count sie
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