Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unglaubliche Reise des Smithy Ide

Unglaubliche Reise des Smithy Ide

Titel: Unglaubliche Reise des Smithy Ide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R McLarty
Vom Netzwerk:
Augenblick lang, vielleicht mehr als einen Augenblick lang, blieb ich stehen, mit Norma und ihrem Rollstuhl in den Armen. Irgendwo in den Gärten der Seitenstraße bellte ein Hund. Umarmung, fiel mir ein. Ich merkte, dass Norma mir direkt ins Gesicht sah, und ich dachte an meinen Atem und setzte sie rasch ab.
    »Die Veranda«, seufzte sie. »Ich weiß noch, wie ich Pop geholfen habe, die Veranda anzubauen. Er gab mir einen Bleistift zum Abmessen, den ich mir hinters Ohr klemmen konnte, und einen Hammer und Nägel, und er sagte: ›Die hämmerst du rein, Norma. ‹ Und als ich fertig war, gab er mir wieder ein Stück Holz und neue Nägel.«
    »Ich erinnere mich daran«, log ich.
    »Deine Mutter tat Eiswürfel in den Salat, und manchmal saßen wir hier draußen und aßen Hotdogs und Bohnen und Salat und hörten die Red Sox im Radio.«
    Ich musste mir die Zähne putzen. Mein alter Atem verbrannte mich.
    »Vielleicht spielen sie gerade.«
    »Meinst du?«
    Ich ging ins Haus. Als Norma mich nicht mehr sehen konnte, rannte ich die Treppe hoch und putzte mir die Zähne. Dann rannte ich wieder hinunter, schnappte mir Pops Radio vom Küchentisch und stöpselte es in die Steckdose draußen auf der Veranda.
    »Ich verfolge die Sox«, sagte Norma und kam herangerollt. Ich fummelte am Senderknopf herum. »Ich weiß nicht, ob sie heute dran sind. Versuch’s auf 620.«
    Ich konnte sie kaum hören, weil mir der Kopf vom Treppenlaufen dröhnte, aber ich fand 620, und das Spiel war im Gange. Norma lächelte und rollte einen halben Meter rückwärts, als könne sie dann besser hören. Es war der Höhepunkt des achten Innings, ein Nachmittagsspiel, das sich bis in den Abend zog. Ihre Nachmittagsspiele zogen sich oft bis in den Abend hinein. Es ist gar nicht abschätzig, wenn man sagt, dass unsere Sox mehr oder weniger seit 1919 auf Zeit spielen.
    »Romero braucht ewig auf dem Werferhügel«, sagte Norma zwischen zwei Würfen. »Der verlängert ein Spiel um vierzig Minuten. Clemens wirft einfach. Eins, zwei, drei. Ich liebe Clemens.«
    Wir hörten ein Weilchen zu. Ich war nicht der Fan, der ich hätte sein sollen. Ich verstand genug davon, um mich mit meinem Pop über die Sox zu unterhalten, aber nach ein paar Bier ist das immer das Gleiche. Ich habe auch gespielt, wegen Pop vermutlich, aber hauptsächlich zum Zeitvertreib, und ich war ziemlich gut für eine High-School-Bohnenstange. Mein Wurf vom dritten Base – das war meine Position – war echt trügerisch; ich sah aus wie ein Hänfling, der es nicht schaffen würde, aber es saß wirklich Power dahinter.
    »Was ich auch gern mal täte: Ich würde gern nach Fenway fahren und ein Spiel live sehen. Letztes Jahr hatte ich die Gelegenheit dazu, mit dem Architektenbüro, für das ich gezeichnet habe, aber … ich weiß nicht. Ich dachte, für sie wäre es ein großes Generve und würde ihnen den Sonntag verderben.«
    »Du hättest aber mitfahren sollen, Norma.«
    »Ja?«
    »Na klar. Die hätten dich doch nicht eingeladen, wenn sie nicht gewollt hätten, dass du mitkommst.«
    »Ich weiß nicht.«
    Wir saßen eine Zeit lang still da und hörten dem Spiel und dem Gemurmel der Zuschauer im Hintergrund zu.
    »Nach einer Weile ist niemand mehr rübergekommen, Smithy.«
    Ich sah Norma an. Sie saß neben mir in ihrem Rollstuhl und blickte geradeaus auf das Radio. Ellis Burks flitzte zum dritten Base.
    »Manchmal habe ich da aus dem Fenster geschaut – das, was du von der Veranda aus sehen kannst, mit der Jalousie -, und dann sah ich Pop hier am Radio, und ich wünschte, er wollte kommen und mich holen.«
    Damals war Boggs noch bei ihnen. Alle liebten ihn, und alle hassten ihn. Der Reporter beschrieb seine Schlaghaltung. Ich konnte den Blick nicht von Norma wenden. Sie hatte einen Jogginganzug an, mit einem riesigen Sweatshirt und einer Kapuze, die von ihrem Nacken hinten über die Rollstuhllehne hing. Ihre Lippen waren ein bisschen geöffnet, und ich konnte ihre Zähne sehen.
    »Du … wenn du ihn gefragt hättest, Norma … ich bin …«
    Normas Hand schoss vor und packte meine linke fette, schwitzige Pfote so fest, dass es wehtat. Sie hielt sie fest und wandte den Blick nicht vom Radio. Ich rührte mich nicht, aber ich war erstaunt, wie stark sie war. Ich sah das Radio an, und als ich sie wieder ansah, rollte ihr eine Träne aus dem Auge. Sie ließ meine Hand los und wischte sie ab.
    »Ich muss jetzt gehen, Smithy.«
    Ich sagte nichts, nichts Blödes und auch sonst nichts, und hob sie wieder

Weitere Kostenlose Bücher