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Unglaubliche Reise des Smithy Ide

Unglaubliche Reise des Smithy Ide

Titel: Unglaubliche Reise des Smithy Ide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R McLarty
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baumelte immer noch herunter. Ich hinkte vorn um den Wagen herum und die Betontreppe hinauf. Das schwere, prunkvolle Portal war verschlossen. Wie der Trottel, der ich bin, hämmerte ich dagegen und rief ihren Namen.
    Ich hinkte zum Eingang zur Westminster Chapel. Er war offen, obwohl es so spät war. Hin und wieder musste der Küster einen alten Penner vertreiben, der sich in einer der letzten Reihen zur Nacht niederlassen wollte, aber damals, gegen Ende der sechziger Jahre, konnte man Türen meistens noch unverschlossen lassen, ohne dass man irgendwelche Unannehmlichkeiten heraufbeschwor.
    Ich betrat die Kirche und ging durch die Seitenkapelle bis zum Chorgestühl.
    »Bethany?«
    Ich blieb ganz still stehen. Mattes Licht fiel auf den Hauptaltar, und der Mond lugte durch die wunderschönen Buntglasfenster herein. Die Fenster auf der Mondseite der Kirche zeigten die sieben letzten Worte Christi. Im Halbdunkel sahen sie gespenstisch aus.
    »Ich bin so froh, dass du angerufen hast, Bethany. Du hast mir so sehr gefehlt.«
    Ich stieg zum Chorgestühl hinauf und suchte die Reihen ab. Natürlich begann ich bei der Sopranreihe.
    »Ich hinke ein bisschen. Siehst du, wie ich hinke? Bethany? Siehst du? Aber das ist alles, und das Hinken wird weggehen. Bald werde ich nicht mal mehr hinken. Das ist alles.«
    Ich sah etwas am Ende der Baritonreihe, aber beim genaueren Hinschauen war es ein Stapel Gesangbücher. Ich nahm eins und stieg damit die zehn Stufen zur marmornen Predigtkanzel hinauf.
    »Alle meine Freunde … all die anderen Soldaten, die du in Denver gesehen hast. Sie fanden dich alle wunderschön. Im Ernst. Bethany?«
    Immer noch meine liebste Erinnerung an die Grace Church war das Gefühl, das ich hatte, wenn ich von der Kanzel aus durch die alte Kirche mit ihren Säulen und Bögen und ihrem Schnitzwerk schaute. Nach der Chorprobe, wenn niemand mehr da war, schlich ich mich immer hinauf. Man hatte einfach das Gefühl, dass man etwas zu sagen hatte, wenn man dort stand. Wichtige Worte für die ganze Gemeinde. Dann hörten sie zu und nickten sogar manchmal mit dem Kopf und wandten sich ihren Frauen zu, wenn man etwas sagte, das ihnen alles ganz besonders klar machte. Natürlich hatte ich nie etwas zu sagen. Nichts Klares jedenfalls.
    »Weißt du noch … weißt du noch, wie lange Dr. Homer immer brauchte, um hier heraufzukommen? Und beim Predigen wurde er immer wütend und fing an zu schreien. Weißt du noch, Bethany?«
    Ich lauschte. Der Kopf tat mir weh.
    »Und ganz egal, wie laut der alte Dr. Homer schrie und brüllte und wie wütend er mit der Faust auf die Kanzel schlug – Pop schnarchte immer weiter.«
    »Und dann hat Mom ihm einen Rippenstoß gegeben.«
    »Bethany?«
    »O Hook, und dann durften wir Doughnuts kaufen und mit nach Hause nehmen, und wir haben mit Pop Ball gespielt.«
    »Bethany.«
    Angestrengt spähte ich in die Richtung, aus der ihre Stimme kam. Ich entdeckte sie unter dem bunten Glasfenster, auf dem Jesus von dem Centurio den Essigschwamm gereicht bekam. Sie stand beim Taufbrunnen. Nein. Nein. Sie war im Taufbrunnen. Ich stieg die Stufen zum Kirchenschiff hinunter und ging zu ihr. Sie saß auf dem Rand des Taufbrunnens und bespritzte sich mit Wasser. Langsam.
    »Ich werde getauft. Ich taufe mich selbst. Jetzt wird alles gut. Oder? Hook? Es wird mir gut gehen? Ich kann Bethany sein?«
    »Ja«, sagte ich.
    Ich wollte wegschauen, aber ich wollte sie auch anschauen. So ging es mir mit ihr, und sie wusste es, und ich wusste, dass sie es wusste. Und wenn es jetzt, wo ich so inständig an meine Schwester dachte, etwas gab, das ich ändern würde, dann war es dies: Ich würde niemals, niemals zulassen, dass ich wegschauen wollte.
    Bethany ließ sich feierlich Wasser auf den Kopf tröpfeln. Ihr Mund war ein wenig geöffnet, und so konnte ich sehen, dass ihr mehrere Vorderzähne fehlten, und ihre Lippen waren zerschnitten und verkrustet. Ihre Nase sah geschwollen aus, als sei sie verprügelt worden, und ihre Augen waren nicht klar und lagen irgendwie tiefer als früher.
    »Ich taufe dich, Bethany Adele Ide, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.«
    Sie sah mich an, und einen Moment lang war es, als leuchteten ihre Augen. »Amen«, sagte ich. Ich wollte alles tun für meine geschlagene Bethany, die da geduckt auf dem Taufbrunnen kauerte.
    »Amen«, sagte sie. »Mehr weiß ich nicht über das Taufen. Glaubst du, es genügt, Hook?«
    Ich kam zu ihr. »Ich finde es schön, Bethany.

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