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Unglaubliche Reise des Smithy Ide

Unglaubliche Reise des Smithy Ide

Titel: Unglaubliche Reise des Smithy Ide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R McLarty
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Tränen. Ich saß ihnen gegenüber auf unserer alten Chaiselongue, während meine Eltern weinten.
    Ich glaube, sie weinten auch, weil ich wieder gesund war. Ich war ein Teil davon, das weiß ich, denn Mom sah mich ohne Hemd, bevor ich ins Bett ging, und da weinte sie wieder. Was ist bloß los mit einem Mann, der sich mit lauter neuen Löchern von seiner Mutter sehen lässt? Am liebsten wäre ich mit dem Kopf gegen den Türknauf gerannt. Ich hätte mir ein Auge ausstechen können. Ich ekle mich vor mir selbst. Meine arme Mom. Ich. Aber auf der Veranda weinten sie Tränen des Verlustes und der Befreiung. Ich ging zu ihnen und beugte mich hinunter, sodass ich sie irgendwie beide gleichzeitig umarmen konnte. Mom und Pop konnte ich berühren. Sie zu berühren, war kein unangenehmes Gefühl wie bei anderen Leuten. Bethany konnte mich natürlich auch berühren, denn ich liebte sie. Liebe sie.
    Mein Pop stand auf und wischte sich die Tränen weg. Er weinte nicht viel.
    »Weg«, sagte er und schaute an mir vorbei in den dunklen Garten. »Sie hat das Geld genommen, das sie von ihrem Job bei der Kirche gespart hatte, und dann hat sie gepackt und war weg.«
    »Sie kommt bald wieder nach Hause«, sagte Mom.
    »Bestimmt«, sagte ich.
    Mein Pop spähte immer wieder durch das Fliegengitter hinaus, und Mom saß da und weinte in ihre Hände. Das war vor dem Bier und den Brezeln.
    Mager und unsicher stand ich da. Ich hatte nicht die Kraft für meine Familie. Bethany war weg.
    »So ein schönes, so ein schönes, schönes Mädchen«, sagte Pop. »Man hörte sie in ihrem Zimmer singen, und man hätte einfach nicht glauben können …«
    So standen wir in der Septembernacht. Insekten prallten gegen das Fliegengitter und schwärmten um das Licht herum.
    »Sie wird zurückkommen«, sagte Mom.
    »Bestimmt, Mom«, sagte ich.
    Mom und Pop waren nach Denver ins Fitzsimmons Hospital gekommen, als man mich dort hingeflogen hatte. Bethany kam auch mit. Ich glaube, die Zeit in Denver, zumindest soweit es ihr Aussehen betraf, war Bethanys beste Zeit. Die Jungs auf meiner Station konnten nur glotzen. Ich war so stolz auf sie. Jedes Mal, wenn sie mich besuchte, trug sie einen anderen Schottenrock. Mom und Pop taten mir so Leid, so verdammt Leid. Ich kam mir blöde vor. Als ob Bethanys Stimme nicht genügte, musste ich auch noch in diesen Sumpf pinkeln und mich zerfleischen lassen. Und dann passierte es, dass bei diesem wirklich hübschen Bengel neben mir, der auch einen Brustschuss hatte und viel gesünder aussah als ich, die Kugeln zum Herzen wanderten oder so was, und da tat er einen mächtigen Seufzer und starb einfach. Und mein Pop und meine Mom standen direkt daneben. Das konnten sie nicht gebrauchen.
    Ich blieb vier Monate in Denver, und dann flog ich nach Providence und zu unserer Veranda.
    »Seit drei Monaten jetzt. Ungefähr«, sagte Pop.
    »Sind es schon drei Monate?«, fragte Mom.
    »Ungefähr.«
    Irgendwo rieben Grillen ihre Beine aneinander. Ich war froh, dass in dieser Nacht wenigstens unser Garten in die Nacht hinauszirpte und die Stille vertrieb. Wir saßen da und lauschten dem Abend. Ich dachte an Norma und hatte das Gefühl, dass sie uns beobachtete. Ich werde nie wirklich verstehen, weshalb die Ides unsere kleine Norma allein ließen. Ich finde es zu einfach, es auf Bethany zu schieben. Zu sagen, wir hatten nichts mehr übrig, das wir jemandem geben oder für jemanden sein konnten, nicht mal für unsere Norma hinter ihrer Jalousie – das genügt nicht. Ich werde es nie verstehen.
    »Onkel Count hatte einen Herzanfall«, sagte Mom.
    »Schon wieder?«, fragte ich.
    »Zu viel Fleisch«, sagte Pop.
    Eine Weile sprachen wir nicht, und dann sagte ich, um etwas zu sagen: »Wie viele waren’s jetzt?«
    »Das war Nummer achtundzwanzig«, sagte Mom.
    »Achtundzwanzig«, wiederholte ich.
    »Sie zählen auch alle kleinen mit«, sagte Pop. »Auch die ganz kleinen. Es waren keine achtundzwanzig schweren.«
    Mom nickte. »Acht schwere waren’s.«
    »Oder neun«, sagte mein Pop.
    Grillen.

35
    I ch war aus eigener Kraft die Verandatreppe hinauf und zurück ins Haus gegangen, aber daran kann ich mich überhaupt nicht erinnern. Ich ging hinauf ins Gästezimmer, ein blaues Zimmer mit lauter indianischen Bildern, und legte mich ins Bett. Auch daran erinnere ich mich nicht. Draußen war es Nacht, als ich aufwachte. Insekten arbeiteten lautstark, und weil ich still dalag und nur die Augen bewegte, klangen sie noch lauter, als sie in Wirklichkeit waren.

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