Unglaubliche Reise des Smithy Ide
Ich hörte ihnen zu. Ich hörte die Kreissägen der Mücken und das Klatschen und Schlagen der Falter an den Fliegengittern, die es zu der Tischlampe zog, die jemand eingeschaltet hatte. Ich hätte die Lampe gern ausgeschaltet, um die Falter zu retten.
Ich musste pinkeln, aber ich blieb lange liegen und dachte darüber nach, und ich dachte mir, vielleicht würde der Drang zum Wasserlassen einfach weggehen, aber er tat es nicht.
»Nieren«, sagte ich.
Das Zimmer hatte ein eigenes Bad. Ich schlug die Bettdecke zurück und stand auf. Komischerweise fühlte ich mich gar nicht so schlecht. Wenn wir krank waren, sagte Grandma immer, uns fehlte nichts, was eine gute Nachtruhe nicht wieder in Ordnung bringen würde. Ich hatte es ins Bad geschafft und stand vor dem Klo, als ich merkte, dass ich nackt war. Jetzt erst erinnerte ich mich an die Ärztin. Sie tat mir Leid. Wer mich nackt sah, konnte davon blind werden. Ich pinkelte.
Ich pinkelte spritzerweise, und jeder Spritzer verursachte schrecklich stechende Schmerzen, aber meine Pisse war Pisse. Ich gab aufmerksam Acht, ob vielleicht Blut darin war, wie es bei Father Benny in meiner Pisse gewesen war, aber ich sah keins.
Ich lächelte vor mich hin, und dann lachte ich, und dann sagte ich laut, dass der große blonde Cop namens Tommy wirklich nicht boxen konnte. Aber das konnte er wohl. Und er hatte es auch getan.
Ich musste mir die Zähne putzen; also suchte ich in Carls Medizinschrank nach einer Gästezahnbürste, wie Mom sie immer hatte. Ich fand aber keine, und da quetschte ich mir Zahnpasta auf den Finger und rieb damit gründlich über meine Zähne. In Carls Medizinschrank stand eine große Schachtel Epsom-Salz. Epsom-Salz wirkt. Es hilft. Ich ließ ein heißes Bad ein und schüttete die ganze Schachtel hinein.
»Epsom-Salz«, sagte ich. »Das hilft wirklich.« Ich ließ mich fünfzehn oder zwanzig Minuten von dem heißen Wasser einweichen und machte kleine Streck- und Schulterdehnübungen, um klar und locker zu bleiben. Ich kam mir vor wie ein Kind in der Badewanne. Dauernd rechnete ich damit, dass Mom oder Grandma hereinkommen und mir die Haare waschen und mit dem Waschlappen kräftig den Rücken abrubbeln würden. Ich schloss die Augen und lächelte blöde vor mich hin, aber ich wäre gern wieder vier gewesen, wenn ich dafür noch mal den Rücken abgerubbelt bekäme.
»Sie sind wach.«
Ich legte beide Hände über mein Geschlechtsteil und setzte mich auf. Die Ärztin war hereingekommen. Sie hatte nicht geklopft und nichts.
»Haben Sie ohne Beschwerden urinieren können?«, fragte sie.
Ich nickte.
»Blut? Verfärbung?«
»M-m.«
»Oh, das ist gut. Das ist so gut.«
Sie kniete sich auf die Badematte, legte die Hände auf den Wannenrand und beugte sich dicht zu mir.
»Ich bin Donna Trivitch. Dr. Trivitch aus der Notaufnahme, und das alles ist mir so peinlich. Ich schäme mich dafür, und es tut mir Leid.«
»Ich bin Smithy Ide.«
»Als Carl mir erzählte, dass er Sie angefahren und ins Krankenhaus gebracht hat und dass Sie am Ende für ihn gesorgt haben … na ja, es … es tut mir einfach sehr Leid.«
»Ich habe nichts an.«
»Warten Sie.«
Dr. Trivitch ging hinaus und kam kurz darauf mit einem roten Frotteemantel und einem Badelaken zurück.
»Das lasse ich Ihnen hier. Es gehört Carl. Ich muss wieder zu ihm hinunter.«
»Wie geht es ihm?«
»Carl wird heute Nacht sterben. Ich werde die ganze Nacht bei ihm bleiben.«
Sie klang nicht weinerlich oder feierlich oder so. Ich wollte gern aus der Wanne steigen, aber nicht, solange sie da stand.
»Wir sind zusammen zur Schule gegangen«, erzählte sie. Sie sah müde aus und älter, als sie wahrscheinlich war, aber sie hatte ein süßes Gesicht, eins, das ich hübsch nennen würde. Sie trug Chinos und ein schlichtes weißes T-Shirt. Ihre Brüste waren eher klein, und das meine ich nicht irgendwie wertend – es ist einfach so, dass ich Brüste bemerke. Eher klein, aber bestimmt sehr hübsch. Rotbraunes Haar, groß.
Dr. Trivitch wollte hinausgehen, aber dann drehte sie sich um.
»Ich war mächtig verknallt in Carl, und vielleicht bin ich es immer noch. Er ist stockschwul. Ich bin ziemlich dämlich, nicht wahr?«
»Ich dachte immer … ich dachte immer, ich liebe meine Schwester, und jetzt ist sie tot.«
Dr. Trivitch sah mich mit leerem Gesicht an und ging hinaus. Ich trocknete mich ab, zog Carls roten Bademantel an und ging leise hinunter in die Küche. In der Regalecke lag Carl auf der Seite, und
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