Unglaubliche Reise des Smithy Ide
Donna Trivitch lag bei ihm. Sie rieb ihm den Rücken und sang ein Lied, das ich nicht kannte. Carls Augen waren offen. Er hob die Hand ein winziges Stück und versuchte etwas zu sagen, aber nur ein feuchtes Murmeln kam aus seinem Mund. Sie legte ihre Hand auf seine.
»Ich weiß. Ich weiß, Carl. Ich weiß.«
36
D ie Jugendgemeinschaft der Grace Church verlieh mir eine Auszeichnung, weil ich verwundet worden war, und sie stellten mein »Purple Heart« im Kircheneingang an der Westminster Street aus. Nach der Verleihung stand ich mit dem Pfarrer da, und die Leute schüttelten mir die Hand. Das war nett von ihnen, aber mir war es ein Graus. Mein Pop machte mit seinem Notizbuch die Runde unter den Kids und erkundigte sich bei ihnen nach Bethany. Es war nicht ihre Gruppe; sie waren viel jünger als meine Schwester, und ich versuchte, meinem Pop das zu sagen, aber die Detektivarbeit war inzwischen ein Teil von ihm geworden, und das änderte sich nicht mehr. Bei dieser letzten Reise nach Maine nahm Pop seine Bethany-Akte mit, und es verging kein Tag, ohne dass er etwas hineinschrieb.
»Diese kleine Carlson weiß etwas«, sagte er auf der Heimfahrt. »Sie hat dauernd auf ihre Füße gestarrt. Das ist ein todsicheres Zeichen. Sie weiß etwas.«
»Ich weiß nicht«, sagte ich.
»Na, ich sag’s dir.«
Pop verfolgte jeden Hinweis, ob real oder imaginär. Ich blieb zu Hause und erholte mich weiter. Ich hinkte ein bisschen. Ich trank ein bisschen Wodka dagegen. Eines Nachts saß ich am Küchentisch und trank ein bisschen Wodka – Mom und Pop waren hinauf ins Bett gegangen, also war es, schätze ich, zwölf oder ein Uhr -, als das Telefon klingelte.
»Hallo«, sagte ich.
Ich klinge immer irgendwie bang und erwartungsvoll am Telefon, oder als sei ich irgendwie darauf aus, jedermann gefällig zu sein. Es ist ein beflissenes »Hallo«, das in Wirklichkeit sagt: »Ich werde alles für Sie tun«, aber natürlich empfinde ich das nicht so und werde gar nichts für Sie tun.
»Hallo. Hallo.«
Ich hörte etwas am anderen Ende, als ob Zähne über Zähne rieben. Es war nicht laut, aber es war ein knirschendes Geräusch, bei dem ich das Gesicht verzog.
»Ich kann Sie nicht hören.«
Das Zähneknirschen hörte auf, und ich hörte gar nichts.
»Hallo?«
Nichts.
»Ich kann Sie nicht hören. Vielleicht ist die Verbindung gestört. Ich lege auf, und dann können Sie noch mal anrufen.«
»Fuck«, krächzte etwas.
»Ich …«
»F-U-U-U-U-C-K, fuck!«, kreischte etwas.
»Ich weiß nicht … ich …«
»Umgebracht. Sie haben … fuck. Fuuuck.«
Es war die Stimme eines alten Mannes. Wie es sich anhören würde, wenn ein alter Mann einen anschreit. Noch älter. Wie ein sehr alter Mann mit einer Stimme wie eine Käseraspel.
»Umgebracht? Wer hat …?«
»SIE HABEN DICH UMGEBRACHT! SIE HABEN DICH UMGEBRACHT!«
»Bethany?«
»All die vielen Löcher. Ich wusste, dass sie dich umbringen.«
Der alte Mann kreischte aus den Tiefen von Bethanys Bauch herauf. »F-U-U-U-U-C-K!«
»Sie haben mich nicht umgebracht, Bethany. Ich bin hier. Hook ist hier. Wo bist du?«
»Manchmal bin ich ganz schmutzig.«
»Wo bist du? Mom … und … und Pop …«
»Sag, ich bin weg.«
»Wir wissen, dass du weg bist. Wir wollen, dass du wieder nach Hause kommst.«
»Fettarsch. Sieh dich vor.«
Ich wartete. Die alte Stimme hustete und verklang. Ich wartete weiter, und mein Herz rumorte mir in den Ohren.
»Hook?« Die Stimme war sanft. Es war wieder Bethany.
»Ich bin hier, Bethany. Wo bist du?«
»O Hook, ich bin so eklig. Eklig und dreckig.«
»Wir haben dich lieb, Bethany. Wo bist du? Ich komme dich holen. Du fehlst uns.«
»Ihr fehlt mir auch. Ich vermisse mein Zimmer.«
»Wo bist du?«
Das Licht in Moms Küche war trüb. Vielleicht lag es am Wodka.
»Wo?«, fragte ich noch einmal.
»In Providence. Bei der Kirche. Auf der anderen Straßenseite in einer Telefonzelle, aber jetzt gehe ich in die Kirche.«
Die Verbindung blieb bestehen, aber ich hörte, wie der Hörer unten gegen die Zellenwand schlug, und wusste, dass sie ihn fallen gelassen hatte.
Ich grabschte nach den Schlüsseln von Pops altem Ford. Fuhr an Woodys Tankstelle vorbei und auf der 95 über die Old George Washington Bridge nach Providence. Um diese Zeit, mitten in der Nacht, standen keine Autos vor der Kirche, und ich parkte direkt vor dem Haupteingang. Auf der anderen Straßenseite, links von mir, stand die Telefonzelle, aus der sie mich angerufen hatte, und der Hörer
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