Unglückskeks - Angermüllers achter Fall
letzte Mal gesehen?«
Im Moment interessierte den Alten nur eins: die Zigarette in seine Zigarettenspitze zu stecken. Als es ihm nicht gelingen wollte, reichte er beides wortlos an Angermüller weiter. Seufzend bastelte der die Zigarette in die Spitze und gab sie dem Mann zurück, der nun abwartete, dass ihm jemand Feuer gab.
»Auch das mach ich doch gern«, murmelte Angermüller und hielt ihm das brennende Feuerzeug hin, »wenn uns das irgendwie weiter bringt.«
Der alte Chinese nahm einen tiefen Zug und lieà den Rauch langsam aus Mund und Nase entströmen.
»Ihr Sohn Tao«, rief Angermüller ihm direkt ins Ohr, »haben Sie den in letzter Zeit mal gesehen?«
Einen Moment schien es, als ob der Greis nachdächte. Dann schüttelte er wie in Zeitlupe den Kopf. Aus seinen wässrigen Augen lösten sich ein paar Tränen, ob vom Rauch oder von der Enttäuschung über seinen abwesenden Sohn, war nicht auszumachen.
»Nu lass ma«, forderte Jansen seinen Kollegen auf, »dat bringt doch nix.«
»Auf Wiedersehen, Herr Jiang«, sagte Angermüller so laut wie möglich. Wie beim letzten Mal versuchte sich der Alte in seinem Stuhl hochzustemmen, um sich formgerecht von den Beamten zu verabschieden.
»Behalten Sie Platz«, rief Angermüller, drückte ihn sanft zurück und reichte ihm die Hand.
Als sie den Gastraum wieder betraten, war es dort noch so leer wie vorher. Wen Lüdcke saà an einem der Tische und schob sich mit einem Paar Stäbchen Nudeln in unglaublicher Geschwindigkeit aus einer Porzellanschüssel in den Mund. Sie lieà sich von den Kommissaren nicht bei ihrer Mahlzeit stören. Erst als sie geräuschvoll die Brühe aus der Schüssel geschlürft und sich mit dem Handrücken den Mund abgewischt hatte, drehte sie ihnen den Kopf zu.
»Hat Chef was gesagt?«
»Nein, er war nicht sehr gesprächig. Aber vielleicht können Sie uns ja wieder weiterhelfen«, beschied sie Angermüller in freundlichem Ton.
»Sie immer neugierig. Immer wollen so viel wissen«, beschwerte sich die Chinesin, »ich hier nur Kellnerin.«
»Aber eine kluge Frau, die vieles hört und sieht«, schmeichelte ihr der Kriminalhauptkommissar, was tatsächlich so etwas wie ein Lächeln in ihren misslaunigen Zügen hervorrief.
»Wir wollten wissen, wann der Chef das letzte Mal seinen Sohn gesehen hat, aber wie gesagt â¦Â«
Sie nickte verstehend.
»Ja, Chef weià nicht mehr. War Tao Weihnachten zuletzt bei seinem Vater.«
»Ah ja. Aber Jiang Jintao lebt doch in Hamburg? Ist ja eigentlich nicht so weit von hier.«
»Ja, Hamburg, ja, stimmt. Aber immer Probleme zwischen Vater und Sohn gegeben. Früher immer viel gestreitet. Tao immer weniger zu Chef gekommen.«
»Weihnachten! Dann ist das ja wirklich schon ewig her, dass die beiden sich gesehen haben«, wunderte sich Angermüller.
»Ja. Aber Wen hat gesehen«, meinte sie verschmitzt.
»Wovon sprechen Sie?«
»Ich habe Tao gesehen.«
»Wo?«
»Hier, bei Restaurant«
»Ach, und wann?«
»Heute«, meinte sie achselzuckend.
»Tao war heute hier?«, fragte Angermüller verdutzt.
Statt einer Antwort zog sie nur genervt die Brauen hoch.
»Haben Sie mit ihm gesprochen?«
»Nein. Habe doch nur seine Auto gesehen.«
»Wo?«
»Na, hier bei Restaurant. Hab ich schon gesagt!«
»Auf dem Parkplatz?«
»Ja, aber hinter Haus. Parkplatz privat für Chef und Personal.«
»Was hat Tao für ein Auto?«
»GroÃe weiÃe.«
»Zeigen Sie uns bitte mal diesen Parkplatz?«
Wen Lüdcke stöhnte auf und erhob sich.
»Hab ich doch gleich gesagt, wollen immer so viel wissen!«
Wieder zogen sie durch den finsteren Flur an den Toiletten, der Küche und dem Büro von Jiang Wenzhong vorbei, bis sie zu einem Hinterausgang kamen. Die Tür nach drauÃen war nicht verschlossen. Auf dem Hof standen zwei groÃe Müllcontainer, ein klappriges Fahrrad lehnte an der Wand, und daneben parkte ein betagter japanischer Kleinwagen.
»Ah, steht immer noch da.«
Wen deutete auf einen weiÃen BMW mit Hamburger Kennzeichen, der in der äuÃersten Ecke des Hofes abgestellt war. Jansen pfiff durch die Zähne.
»Einen X6 fährt der. Teures Spielzeug!«
»Und dieser Wagen gehört dem Sohn vom Chef?«
»Ja. War auch letzte Weihnachten damit
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