Unglückskeks - Angermüllers achter Fall
niedergelassener Steuerberater beinahe rund um die Uhr arbeitete. Bald war das zweite Kind, eine Tochter, geboren worden, und Sandra hatte ihre Ausbildung im Fernstudium wieder aufgenommen â gegen Hinnerks Willen. Seine Frau sollte es nicht nötig haben, zu arbeiten. Die Steuerberater-Praxis lief immer besser, und bald bauten sie sich ein Eigenheim, mit Garten, Grillplatz und Carport â für mindestens zwei Autos.
Alles so, wie es sich gehörte für den vorgezeichneten Verlauf eines beschaulichen, ordentlichen Daseins in der Provinz. Bis Sandra feststellte, dass sie einen notorischen Fremdgeher zum Ehemann hatte. Ob Sekretärin, Mandantin oder Babysitterin, Hinnerk nutzte jede Gelegenheit für seine auÃerehelichen Abenteuer. Es kam zur groÃen Krise. Sandra stellte ihm ein Ultimatum, er gelobte Besserung, sie versöhnten sich, so entstand der jüngste Sohn, und noch während der Schwangerschaft traf sich Hinnerk mit Sandras bester Freundin im Hotel. Da endlich warf sie ihn raus.
»Es folgte die Scheidung. Und dann lief es genauso, wie ich es oft schon gehört, aber nie geglaubt hatte, dass ausgerechnet mir das passieren könnte. Er wollte keinen Unterhalt zahlen, log über seine Vermögensverhältnisse, dass sich die Balken bogen, war angeblich arm wie eine Kirchenmaus. Ich meine, es sind doch auch seine Kinder!«
Immer noch schien es Sandra unbegreiflich zu sein, wie ihr Mann sich so hatte verhalten können.
»Wenigstens hatte ich das Haus. Meine Eltern haben mir viel geholfen bei der Kinderbetreuung, und mit einer guten Anwältin bin ich schlieÃlich auch zu dem uns zustehenden Unterhalt gekommen. Zum Glück hatte ich ja mein Diplom als Lebensmittelingenieurin gemacht, und als dann der Jüngste in die Schule kam, hab ich angefangen zu arbeiten.«
Sandra hatte wirklich nichts mehr mit dem schüchternen Wesen aus der Schulzeit gemein, das nie eine eigene Meinung hatte und bei jeder Gelegenheit schamhaft errötete. Das Leben hatte sie zu einer selbstbewussten Persönlichkeit geformt, wie Marlene feststellte, zu einer sympathischen, warmherzigen Frau. Sandra griff nach ihrem Weinglas.
»Es war ganz schön hart manchmal in den ersten Jahren nach der Trennung, aber meine Kids und ich, wir sind ein starkes Team. Das Thema Männer ist bei mir jedenfalls durch. Prost!«
»Prost, da haben wir was gemeinsam«, grinste Marlene. Sie stieÃen an, auch Sophie mit ihrer Apfelschorle.
»Ich freu mich für dich, Marlene, dass du und Sophie euch gefunden habt. Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist.«
»Und du? Du willst allein bleiben?«
»Na ja, gegen einen netten Typen ab und zu hab ich ja nichts«, bekannte Sandra nun doch leicht verlegen. »Zusammen ausgehen, vielleicht gemeinsam verreisen, auch Sex, wennâs passt â aber in mein Leben lass ich so schnell keinen mehr.«
»Keine Angst, hier will dir niemand was verbieten! Von mir aus kann jeder nach seiner Façon selig werden.«
»Nach meiner sowieso!«, bekräftigte Sandra. Dann legte sie Sophie ihre Hand auf den Arm.
»Und dir wünsche ich, dass du weiter so gute Fortschritte machst, damit du bald wieder 100 Prozent fit bist!«
Sophie nickte mit groÃem Ernst. Sandra gegenüber hatte sie die Scheu vor Fremden, die sie seit dem Unfall beherrschte, fast ganz abgelegt, aufmerksam den Gesprächen gelauscht, mitgelacht und sich sogar hin und wieder mit ihrer Brabbelsprache eingemischt, was bedeutete, dass sie sich wohl und sicher fühlte. Jetzt allerdings deutete sie an, dass sie müde war, lieà sich von Sandra zum Abschied umarmen und zog sich ins Haus zurück.
»Und hast du denn schon andere Leute von früher in Schwartau getroffen, Marlene? Hier läuft man sich doch ganz automatisch immer mal wieder über den Weg.«
»Komischerweise ist mir in den ganzen Wochen hier niemand begegnet, bis zum letzten Sonnabend. Da ist auf einmal Mirko bei uns aufgetaucht. Er hatte von irgendjemandem gehört, dass ich hier bin. Er hat übrigens vorhin angerufen, kurz bevor du kamst, und ich hab ihm erzählt, dass ich dich getroffen habe.«
»Alte Liebe rostet nicht! Der war damals ja schwer in dich verliebt!«, lachte Sandra.
»Ach Quatsch! Wir sind doch auÃerdem beide in festen Händen. Gleich am nächsten Abend waren wir übrigens bei ihm zum Geburtstagsfest von der schönen Susann
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