Unglückskeks - Angermüllers achter Fall
noch mit der charmanten Bedienung, und in der Küche muss es ja auch jemanden geben.«
Die einzigen Gäste waren inzwischen schon wieder verschwunden. Die Kellnerin hieà Wen Lüdcke. Sie hatte in ihrer Jugend in Shanghai einen deutschen Seemann kennengelernt, der sie geheiratet und nach Deutschland gebracht hatte. Er war weiter zur See gefahren, und nach drei Jahren hatte sie nie wieder von ihm gehört. Aber sie war in Deutschland geblieben.
Aus der Tasche ihrer strahlend weiÃen Schürze fummelte Wen Lüdcke ihre Brille, putzte sie mit einem Schürzenzipfel, was nicht viel bewirkte und schaute neugierig durch die trüben Gläser auf das gespiegelte Gesicht. Mit dem Finger fuhr sie die Konturen von Nase und Wange entlang. Sie lieà sich viel Zeit. Dann schaute sie auf.
»Gibt Belohnung?«
Die obere Zahnreihe, die bei ihrem erwartungsvollen Grinsen sichtbar wurde, war zwar vollständig, aber die vielen Zähne schienen nicht genügend Platz im Kiefer zu haben und standen kreuz und quer.
Als Jansen sie abschlägig beschied, verschlossen sich ihre Lippen wieder und sie schaute so mürrisch wie zuvor.
»Kennen Sie denn den Mann?«
Unwillig zuckten die schmalen Schultern.
»Weià nicht.«
»Das hilft nicht so richtig weiter, Frau Lüdcke. Ja oder nein?«, hakte Angermüller geduldig nach.
»Vielleicht ja.«
Das linke Bein des Kollegen Jansen begann wieder einmal bedrohlich zu wippen, und er stieà vernehmlich die Luft aus.
»Wollen wir jetzt ma büschen Klartext reden, oder wat?«, bollerte er los. »Wir ham nämlich nich ewig Zeit. Erkennen Sie die Person auf dem Foto, ja oder nein?«
Offensichtlich machte seine Attacke keinen Eindruck auf die Frau. Sie kniff die Lippen zusammen und schickte Jansen nur einen schiefen Blick. Mit einem Stoà gegen das Bein des Kollegen forderte ihn Angermüller zum Schweigen auf und machte einen letzten freundlichen Versuch.
»Frau Lüdcke, Sie würden uns wirklich sehr helfen. Machen Sie ganz in Ruhe, sehen Sie sich die Abbildung noch einmal ganz genau an. Was meinen Sie?«
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis die Kellnerin wieder den Mund aufmachte.
»Ist Koch gewesen in âºBambushausâ¹. Sehr lange her.«
»Wann, Frau Lüdcke, wann ist das gewesen?«, fragte der Kriminalhauptkommissar erwartungsvoll, der sein Glück kaum fassen konnte.
»Ist länger als 20 Jahre. War auch nur Hilfskoch. Aber schlechte Koch. Mit Küchenbeil sein Finger â zack.«
Sie machte eine eindeutige Handbewegung.
»War vielleicht eine Jahr hier, nicht länger, dann weggegangen.«
»Wissen Sie noch seinen Namen?«
»Herr Wu, Wu Hongjun ist der Name.«
»Können Sie mir sagen, wie man das schreibt?«
Angermüller bemühte sich, nach ihren Angaben mitzuschreiben, und lieà sie das Ergebnis korrigieren.
»War Herr Wu danach denn mal wieder hier?«
»Ist ein paar Mal wieder gekommen, für Arbeit fragen. Aber Chef wollte ihn nicht mehr.«
Eine Art Lächeln erhellte plötzlich ihre verdrieÃliche Miene und legte ihre schiefen Zähne frei.
»War lustiger Mann, dieser Herr Wu. Aber sehr faul. Kam alle paar Jahre mal für Besuch vorbei.«
»Und wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«
Frau Lüdcke schüttelte den ergrauten Kopf.
»Letzte Jahr, diese Jahr? Weià nicht mehr.«
»Wie lange arbeiten Sie eigentlich schon hier?«
»25 Jahre.«
Die alte Frau schien diejenige, die den Laden noch irgendwie am Laufen hielt. Sie kümmerte sich auch persönlich um ihren Chef, da er sonst niemanden hatte.
»Frau tot, Sohn weg, kommt zweimal im Jahr vielleicht, und Neffe rausgeschmissen. Keine Familie mehr«, sie stieà abfällig die Luft aus. Dann bleckte sie ihr missgebildetes Gebiss und zeigte ein stolzes Lächeln. »Wen macht alles.«
In der Küche gab es nur einen Chinesen aus Malaysia, der seine Heimat aus Furcht vor Repressalien gegen Homosexuelle verlassen hatte, der kein Deutsch und nur wenig Englisch sprach. Er war erst nach Stevens Rausschmiss ins âºBambushausâ¹ gekommen und konnte mit Wu Hongjuns gespiegeltem Konterfei überhaupt nichts anfangen.
Beim Einsteigen in den Dienstwagen fiel Angermüllers Blick wieder auf das Haus gegenüber auf dem Hügel. Er erinnerte sich des Ãrgers der Blonden über die Schwartauer Kollegen. Sie hatte etwas über
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