Ungnade: Thriller (German Edition)
Purcell sich als nicht allzu redselig. Mittlerweile zog sie in Erwägung, dass er möglicherweise an einer psychischen Störung litt.
Nachdem er die Rechnung beglichen hatte, trat er mit ihr vor die Tür und blickte eine volle Minute lang die Straße nach beiden Seiten entlang. Obwohl Rebecca keine Spur des Autos, das ihnen gefolgt sein musste, entdecken konnte, schien sich Purcells Blick auf etwas am hintersten Ende der Straße zu fixieren. Dann sah auch sie den Mazda. Sogar die vier Männer darin, die darauf warteten, dass sie und Purcell das Café verließen, konnte sie erkennen.
Purcell stand regungslos da und beobachtete den Wagen.
» Was machen wir jetzt?«, fragte Rebecca.
Purcell antwortete nicht. Sie wartete.
» Ich denke, wir werden zu mir nach Hause fahren«, sagte er schließlich– diesmal ohne zu grinsen oder zu zwinkern.
» Und was werden wir dort tun?«
» Abwarten.«
» Das ist er also? Der geniale Plan?«
» Die einfachsten Pläne sind oft die besten.«
» Hoffentlich haben Sie damit recht.«
Er schloss den Wagen auf und stieg ein. Rebecca blieb noch einen Moment auf der Straße stehen, holte ihr Handy hervor und versuchte zu telefonieren, aber es gab kein Netz.
» Kein Glück gehabt?«, fragte Purcell, als sie sich endlich neben ihn setzte.
» Nein.«
» Wir können über Festnetz von meinem Haus aus telefonieren.«
Sie fuhren die Straße entlang; die Tachonadel zeigte gerade mal dreißig Stundenkilometer. Purcell warf einen Blick zu dem Mazda hinüber, als sie ihn passierten.
Rebecca starrte ihn von der Seite an. » Was?«, fragte er.
Sie schüttelte schweigend den Kopf. Das ist also der Mann, dem mein Leben anvertraut wurde, dachte sie. Ich hoffe nur, dass Tom Hardy weiß, was er tut. Ich hoffe es inständig.
Purcell bog um eine Haarnadelkurve, die sie aus der Stadt hinaus und aufs freie Land führte. Der andere Wagen folgte ihnen in etwa fünfzig Metern Abstand. Rebecca wandte sich auf ihrem Sitz um, um ihn im Auge zu behalten.
» Immer noch da«, konstatierte Purcell.
» Mir gefällt das nicht«, sagte sie.
» Niemandem gefällt das, aber es lässt sich nun mal nicht ändern.«
Sie blickte wieder geradeaus, faltete die Hände, klemmte sie zwischen ihre Schenkel und versuchte ihr Zittern zu unterdrücken.
» Einmal kommt für uns alle die Stunde«, sagte Purcell und tätschelte ihr Knie. » Wie wir ihm dann gegenübertreten– nur darauf kommt es wirklich an.«
» Sie reden vom Tod?«
Er nickte.
» Ich würde es vorziehen, ihm überhaupt nicht gegenübertreten zu müssen.«
» Was? Einfach im Schlaf hinüberdämmern, wenn die Zeit abgelaufen ist? So stellen Sie sich das vor?«
» So ungefähr, ja.«
» Glauben Sie, dass sich das jeder so wünscht?«
» Ich denke schon.«
» Was ist mit den Jungs drüben im Irak oder in Afghanistan? Die Männer, die in Vietnam und in Korea gewesen sind? Im Ersten und im Zweiten Weltkrieg?«
» Ich ahne, worauf Sie hinauswollen. Aber da gibt es einen kleinen Unterschied: Sie alle haben sich freiwillig entschieden, Soldaten zu werden. Ich kann gut darauf verzichten.«
» Können Sie eben nicht. Sie sind doch Polizistin, oder? Sie tragen nur eine andere Art von Uniform.«
» Das ist aber schon ein Unterschied.«
» Wir stecken jetzt mittendrin in dieser Situation, es macht also keinen Sinn herumzujammern.«
» Ich jammere nicht herum, ich habe bloß Angst.«
» Ich auch. Ich bin ja nicht dumm. Aber ich habe gelernt, mit Angst umzugehen.«
» Vielleicht macht das ja Tapferkeit aus.«
» Das und darauf vorbereitet zu sein, so gut man kann.«
Es war eine brutale Logik, der Purcell da folgte. Rebecca hatte nicht mehr die Kraft, noch länger mit ihm zu diskutieren. Sie lehnte sich in ihrem Sitz zurück, um zu entspannen. Erste Regentropfen klatschten auf die Windschutzscheibe. Am Himmel waren dichte schwarze Wolken aufgezogen.
» Wie weit ist es noch?«, fragte sie. » Zu Ihnen nach Hause?«
» Vielleicht zehn Minuten.«
Die Wolken verwandelten den Tag in Nacht. » Sieht nicht so aus, als würden hier noch mehr Menschen leben außer Ihnen«, bemerkte sie.
» Das ist ja gerade das Schöne daran.«
» Normalerweise würde ich Ihnen zustimmen. Aber nicht heute. Nicht wenn wir Zivilisation um uns herum bräuchten.«
» Wir brauchen weder Zivilisation noch irgendwelche Menschen. Die würden uns sowieso nichts nützen. Tommy wird bald hier sein.«
» Rechtzeitig?«
Purcell zuckte mit den Achseln und vermied es, sie
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