Ungnade: Thriller (German Edition)
sie selbst ungewollt aufschrie.
Als sie den anderen Mann auf sich zukommen sah, bückte sie sich blitzschnell, griff nach dem Messer und schleuderte es ihm entgegen. Er riss den Arm hoch, um sein Gesicht zu schützen, das Messer prallte ab und flog über seine Schulter.
Heftig atmend blieb der Mann stehen und griff mit der anderen Hand nach seinem Arm. Unter dem dunklen Stoff seines Jackenärmels war an der Stelle, an der das scharfe Messer glatt das Material durchtrennt hatte, ein Streifen Haut zu sehen.
» Nein!«, schrie Rebecca und hielt beide Hände in die Höhe.
Der Mann zu ihren Füßen schlug ihr gegen das Bein, aber der Angriff blieb wirkungslos. Sie entzog ihren Fuß seinem geschwächten Zugriff, winkelte das Bein an, trat in seine Maske und hörte seinen Schädel auf das Pflaster schlagen.
Wieder schrie sie etwas, was, wusste sie selbst nicht, und trat einen Schritt zurück. Sie blinzelte die Tränen aus ihren Augen und verschmierte ihr Make-up, als sie sich mit dem Ärmel über das Gesicht wischte.
Der Mann am Boden war still geworden; sein Bein war verdreht. Sein Kollege schaute mit zur Seite gelegtem Kopf zu ihm hinunter. Als er Rebecca ansah, konnte sie seine Augen durch die Löcher in der Maske erkennen.
Eine gefühlte Ewigkeit lang standen sie sich gegenüber, doch in Wirklichkeit war es höchstens eine Sekunde.
Der Mann wollte einen Satz in ihre Richtung machen, das Messer hielt er bereits stoßbereit vor der Brust.
Rebecca dankte Gott dafür, ihre Turnschuhe und keine Pumps angezogen zu haben, so war sie viel behänder.
Dreh dich um und renn.
Aber Roddy…
Roddy ist tot.
Aber…
Beweg dich. Jetzt.
Plötzlich wurde die Tür des Restaurants geöffnet, und ihr Peiniger stand den Angestellten des Restaurants gegenüber, die nach einem langen Arbeitstag nach Hause gehen wollten.
Rebecca drehte sich um und floh.
Auf der Straße vor ihr fuhren Autos vorbei.
Würde sie im Laufen noch innehalten können? Und wollte sie das überhaupt?
Weiter, nur nicht stehen bleiben. Über die Straße, über den Zaun in Richtung Wasser. Sie rannte so schnell, dass sie gewiss ans andere Ufer flutschen würde– wie ein mit viel Kraft geworfener flacher Stein.
Hinter ihr Geräusche. Nicht umdrehen.
Aber als sie die Straße erreichte, war sie viel zu schnell. Sie hätte einen Haken schlagen müssen, aber ihre Füße verloren den Halt. Sie rutschte aus, schlitterte in ein geparktes Auto hinein– doch das hinderte sie daran, auf die Fahrbahn zu laufen, wo in dieser Sekunde ein Wagen vorbeiraste. Nur verschwommen konnte Rebecca ein Gesicht hinter der Seitenscheibe erkennen, das sie erschrocken ansah.
Sie drehte sich um und warf einen Blick die Gasse hinauf. Jemand schrie.
Sie spürte kurz dem Schmerz in der Hüfte nach, mit der sie gegen den geparkten Wagen geprallt war, dann rannte sie weiter.
25
Auf dem Weg zum Hilton bog der Konvoi in die Waterloo Street ein. Tara saß wieder auf dem Rücksitz des Wagens und telefonierte mit ihrer Mutter. Der Wirbel, der um sie veranstaltet wurde, war noch so neu für sie, dass sie davon immer gleich ihrer Familie erzählen wollte. Cahill wünschte ihr, dass ihr die Unbekümmertheit möglichst lange erhalten bliebe, wusste aber, dass dies kein permanenter Zustand sein würde. Schon so manche Schauspielerin und so mancher Musiker hatten unter seinem persönlichen Schutz gestanden, und er hatte zusehen können, wie der Leistungsdruck und der Mangel an Privatsphäre einem Menschen zusetzen konnten.
» Echt«, sagte Tara gerade, » es war klasse, Mum. Jeder hat sich hinterher nett über den Film geäußert.«
Hanson war nach der kleinen Auseinandersetzung zuvor still geworden. Er war wohl immer noch beleidigt, weil Cahill ihn abgestraft hatte. Andererseits konzentrierte er sich seither ausschließlich auf seinen Job und ließ sich nicht mehr so leicht von Tara ablenken.
Vor ihnen bog der Wagen mit Washington und Judd nach rechts ein und fuhr den Hügel zum Hintereingang des Hilton hinunter. Cahill folgte ihm, ansonsten waren weit und breit keine Fahrzeuge unterwegs.
Noch ist es nicht geschafft, ermahnte er sich. Noch ein paar Minuten äußerster Konzentration.
» Wie sieht’s bei euch hinten aus?«, fragte er in sein Mikro.
» Alles klar«, antwortete Hardys Stimme.
» Gleich sind wir da.«
» Verstanden. Du gibst dann einen aus.«
» Klar, wie immer.«
Am Fuße des Hügels bogen sie noch einmal nach rechts ab, dann sah Cahill auch schon das Hilton-Logo, das
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