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Unguad

Unguad

Titel: Unguad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Werner
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stand schon im Aufzug und zupfte den Jungen energisch am Ärmel. Er
flüsterte: »Los, komm. Sonst sieht sie uns!« Sein Enkel blickte sich zu ihm um
und verstand endlich. Er ließ los und trat in den Lift, Béla rollte weiter in
den Gang.
    »Herr Szabó! Was machen Sie denn da?«
    Die Aufzugstüren schlossen sich.
    »Ich wollte nur spazieren, ápolonö . Nur …«
Mehr konnten die beiden nicht hören. Aber Béla würde das schon machen.
    Dreiundzwanzig Uhr neunzehn
    Auf der Fahrt in den Keller meinte Tibor aufgeräumt: »Das ist ja
noch einmal gut gegangen.«
    Linus nickte. Aber dann schüttelte er stumm und unbemerkt den Kopf.
Die ganze Anziehtortur umsonst!
    Tibor erinnerte sich, dass er seinem Enkel von seiner nächtlichen
Begegnung erzählen wollte. Er nutzte die Gelegenheit, hier im Lift seine
ungeteilte Aufmerksamkeit zu haben. »Es kann sein, dass wir auf einen jungen
Strolch treffen.«
    »Was?«
    »Gestern Nacht bin ich mit ihm in der Abstellkammer, nun,
zusammengetroffen. Er lief davon. Vielleicht versteckt er sich immer noch im
Haus.«
    Linus wunderte sich, was sich in letzter Zeit in diesem langweiligen
Seniorenheim so alles tat. »Weißt du, wer es war?«
    »Nein. Zum einen kenne ich wenige junge Männer. Zum anderen ging es
viel zu schnell. Er müsste aber ungefähr dein Alter haben.«
    »Das ist ja seltsam. Was wollte der hier?«
    »Ich habe nicht den Hauch einer Idee.« Das Ruckeln des Aufzuges und
das Zischen der Türen, als sie sich öffneten, unterbrach ihre Unterhaltung.
    Dunkelheit erwartete sie. Im Untergeschoss wohnte niemand, es musste
normalerweise auch keiner während der Nacht hinab, daher war das Licht einfach
ausgeschaltet. Die übliche Nachtbeleuchtung fehlte. Man sparte. Deshalb blieb
Tibor in der Lichtschranke des Aufzugs stehen, damit wenigstens die Neonlampe
in der Kabine ein wenig die Umgebung erhellte. Linus suchte im Gang nach dem
Lichtschalter. Bald blinkten die Röhren an der Decke auf. Die beiden blinzelten
in das unangenehm helle Licht.
    »Und wohin jetzt?«
    »Keine Ahnung. Wir müssen uns umsehen. Ich war auch noch nie hier.«
Der Großvater stöckelte versuchsweise nach rechts, sein Enkel folgte.
    Alle Türen waren beschriftet. Bald hatten sie gefunden, wonach sie
suchten. »Nur für Personal« stand neben einer. Tibor drückte die Klinke nach
unten. Es verwunderte sie beide, dass sich die Tür problemlos öffnen ließ. So
einfach hatten sie es sich nicht vorgestellt. Aber warum abschließen? Hierher
verirrte sich normalerweise niemand.
    Sie traten ein, drückten den Lichtschalter. Auch hier flammte
ungemütliches Neonlicht auf. Vor ihnen breitete sich ein quadratischer Raum
aus. Seine weiß getünchten Wände waren mit schmalen Schränken fast vollständig
zugestellt. Die Spinde der Angestellten. In der Mitte befanden sich Holzbänke
ohne Lehne, auf die man sich setzen konnte, um sich die Schuhe zuzubinden.
Hinten ging eine Tür mit der Aufschrift »Dusche/ WC « ab. Nicht schön, aber
praktikabel.
    »Woher sollen wir wissen, welcher dem Hecker gehört?« Linus war
genervt. Die Vorkommnisse der heutigen Nacht hatten ihn schon arg strapaziert.
    Anscheinend hatte sich sein Großvater dasselbe gefragt, denn der
zuckte nur mit den Schultern und fing an, die Reihe der Schränke zu
inspizieren.
    »Wenn es wie bei der Armee ist, dann … Ja, Linus, wir haben Glück.
Es sind überall Namensschilder angebracht. Also, schauen wir mal. Maier, Daum,
Wagenpfeil, Hecker. Da haben wir ihn!« Er rüttelte am Türknauf. »Verschlossen.
Hm.« Tibor sah sich nachdenklich nach seinem Enkel um. »Das war zu erwarten,
nicht wahr?«
    »Klar.« Linus fasste in seine hintere Hosentasche. »Und ich bin
darauf vorbereitet. Allzeit bereit.« Triumphierend hielt er eine
Plastikscheckkarte in die Höhe.
    Tibor zog anerkennend eine Augenbraue hoch. »Woher kennst du denn
den Trick?«
    »Wahrscheinlich hab ich zu viel ›Magnum‹ geguckt. Früher wollte ich
immer nach Hawaii und Privatdetektiv werden. Heute würde ich dort lieber
surfen.« Linus grinste. Sein Opa machte eine kleine Verbeugung und eine
einladende Handbewegung hin zur Spindtür. Dann trat er einen Schritt zurück.
    Linus zielte mit der Kante seiner Karte in den Zwischenraum zwischen
Tür und Seitenteil des Spindes und zog sie mit Schwung nach unten. Das
verursachte ein kratzendes Geräusch und die Plastikkarte bog sich nach außen,
das Schloss der Tür blieb davon jedoch unberührt. Es dachte nicht daran, sich
öffnen zu lassen.
    Linus

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