Unguad
unseren Besprechungstermin notiert. Ich sollte mir ihre
Bewerbungsunterlagen ansehen, bevor sie sie bei der Personalabteilung
einreicht.«
»Aber warum die Heimlichkeit?«
»Marion hat mich darum gebeten. Sie wollte nicht, dass jemand im
Heim davon Wind bekommt, ehe sie den neuen Vertrag unterzeichnet hat.«
»Aha.«
»Und du weißt, Verschwiegenheit gehört zu meinem Beruf.«
Ich verdrehte heimlich die Augen. »Linus verdächtigt dich übrigens
auch. Er hat dich mit ihr am Samstag gesehen, obwohl du doch angeblich mit
Leopold verabredet warst.« Wenn wir schon dabei waren, wollte ich gerne alles
aus der Welt räumen.
»War ich auch. Ich habe Marion nur zufällig auf der Straße
getroffen, als ich nach Hause gehen wollte. Wir haben vielleicht fünf Minuten
miteinander geredet.« Er küsste mich auf die Stirn. »Aber dass du von mir
gedacht hast, ich würde dich betrügen! Du musst doch wissen, dass ich nur dich
liebe.«
Ich wackelte verlegen mit dem Kopf. »In letzter Zeit hatte es
allerdings nicht so den Anschein«, versuchte ich eine Verteidigung.
Er zog mich ganz nah an sich heran. »Na, dann wollen wir dich davon
überzeugen.«
Wir ließen das Aufräumen Aufräumen sein und gingen nach oben. Ich
hatte ja nie wirklich an seine Untreue geglaubt, gell!
Mittwoch, den 24. Juni
Zehn Uhr
Am nächsten Morgen versuchte ich bei meiner üblichen Waldrunde
wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Die »Affäre« Martin – Schwester Marion
war ja nun gelöst. Ebenso die unselige Tablettensache.
Wie hatte sich Schwester Marion nur so weit von ihrem Berufsethos
entfernen können, dass sie dem Szabó einfach falsche Medikamente gegeben hatte!
Vielleicht sollten wir es doch melden? Nicht, dass sie es in einiger Zeit
wieder machte. Ich würde mit Martin nochmals darüber reden müssen.
Zu Hause blinkte der Anrufbeantworter. Neugierig drückte ich auf den
Wiedergabeknopf. Es war die Kommissarin.
»Frau Schneider, es tut mir leid, aber ich muss unsere Verabredung
für heute Abend absagen. Ich melde mich wieder. Ihnen einen schönen Tag.«
Oh. Das war aber schade. Was war ihr denn dazwischengekommen? Aber
bei dem Beruf musste man wohl damit rechnen. Na ja. Dann eben ein andermal.
Dabei hatte ich heute so viel mit ihr besprechen wollen.
Schlecht gelaunt machte ich mich daran, die Hinterlassenschaften des
Grillfestes wegzuräumen. Ich mochte es nicht, wenn mir schon morgens Steine in
den Weg gelegt wurden. Dann musste ich auch noch zu meinen Eltern und ihnen von
der neuesten Entwicklung berichten. Heute war nicht mein Tag!
Schweren Herzens machte ich mich auf den Weg. Wie erwartet war mein
Vater über die Hintergründe der Ermordung von Elvira sehr bestürzt. Zwar hatte
ich Szabós Motiv so dezent wie möglich formuliert, die Tatsache an sich blieb
aber bestehen. Allerdings war das Entsetzen über die Machenschaften von Marion
fast noch größer. Seine unfehlbare Marion.
»Das hätte ich nie von ihr gedacht.«
»Niemand hat das vermutet«, stimmte ich ihm zu. Meine Mutter hatte
anfangs meinen Erzählungen zugehört. Da sie aber nicht recht mitgekommen war,
hatte sie sich wie immer ihren Rätseln zugewandt und in Ruhe ihren Kaffee
getrunken. »Und noch etwas ist gestern ans Tageslicht gekommen. Heidemarie
Wieland ist ein Lebensbornkind. Wusstet ihr das?«
»Lebensborn? Nein. Aber das Alter würde passen, und sie ist blond
mit blauen Augen. Früher war sie sehr sportlich. Hat, glaube ich,
Leistungssport gemacht. Leichtathletik. So konnte sie damals auch aus der DDR fliehen. Bei einem Wettkampf in Österreich. Schon eine mutige Frau.«
»Du weißt viel von ihr«, stellte ich erstaunt fest.
»Wir beiden Flüchtlinge haben uns halt unsere Geschichten erzählt.«
Ich zögerte, sagte es dann aber doch: »Sie hat leider ziemlich
faschistische Ansichten, so über Sinn und Zweck des Dritten Reiches.«
»Du wieder mit deiner kommunistischen Einstellung«, empörte sich
mein Vater. Ich hatte es ja gewusst. Politik sollte man als Gesprächsthema bei
uns ausklammern. Immer noch. »Wir haben beide unter den Kommunisten gelitten.
Diese roten Verbrecher. Davor herrschte in Deutschland wenigstens Zucht und
Ordnung. Und …«
»Wowowow! Apukám, Schluss. Wenn man dich
so hört, wirst du wegen Volksverhetzung eingesperrt.« Meine Mutter schaute
erschrocken von ihrem Heft auf.
Er klappte seinen Mund zu. »Mit dir kann man über so etwas nicht
reden«, versetzte er beleidigt.
»Lass uns nicht streiten«, schlug ich einen
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