Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unheil ueber Oxford

Unheil ueber Oxford

Titel: Unheil ueber Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
Vom Netzwerk:
zu warm allerdings. Auf keinen Fall wollte sie auf seiner Liste vielversprechender, neuer sozialer Kontakte landen.
    Kate hatte gehofft, sich für eine halbe Stunde friedlicher Einsamkeit davonstehlen zu können, doch mittlerweile war ihr klar geworden, dass die Studenten im Auffinden ruhiger Plätzchen auf dem Gelände gewitzter waren als sie. In Zukunft würde sie wohl lieber aus dem College flüchten und sich in ihrem eigenen, kleinen Haus verbergen.
    Die Einschreibformalitäten waren planmäßig vonstatten gegangen. Jeder Student hatte eine Begrüßungsmappe mit Stadtplänen und Informationen über die Stadt erhalten und bekam ein Verzeichnis der verfügbaren Arbeitsgruppen und Seminare ausgehändigt. Danach zeigte man den Leuten ihre Zimmer – und damit fing der Ärger an. Innerhalb einer Stunde waren die Teilnehmer gleich dutzendweise in Kates Büro eingefallen und hatten sich nach weniger kargen Unterkünften erkundigt. Inzwischen begriff Kate, warum man ihr eine vergleichsweise respektable Aufwandsentschädigung geboten hatte.
    Sie versuchte, den Leuten zu erklären, dass sie bereits auf dem Anmeldeformular die freie Wahl gehabt hatten: entweder mittelalterlich pittoreske Zimmer mit zugigen Fenstern und Türen und einem Bad auf dem Flur oder aber Unterkünfte in modernen Gebäuden aus Beton und Glas, mit eigenem Bad und bequemen Betten. Auch die Tatsache, dass die Brandverhütungsvorschriften das Rauchen auf den Zimmern nicht gestatteten, kam bei ein paar Rauch- und anderweitig Süchtigen nicht besonders gut an.
    Vergeblich hatte Kate sie auf die Schönheit der Stadt aufmerksam gemacht und ihnen angeboten, sie zur Bodleian Bibliothek zu begleiten, wo sie sich hätten einschreiben und den Leser-Schwur hätten leisten können. Auch das Versprechen einer Besteigung des Tower of Grace mit seiner herrlichen Aussicht auf die grün belaubte Innenstadt von Oxford fruchtete nicht. Kate überlegte, ob sie bei einer Erwähnung des kürzlich erfolgten tödlichen Unfalls mehr Interesse gezeigt hätten. Vielleicht wären sie mitgegangen und hätten fehlende Duschen und nicht lieferbare Spezialdiäten besser verschmerzt, wenn Kate ihnen den Stein hätte zeigen können, auf dem Christopher Townsend sein Leben ausgehaucht hatte.
    Und auch die gemeinsamen Mahlzeiten waren zur Feuerprobe geworden. Kate hatte die Studenten darauf vorbereitet, dass der Küchenchef des Bartlemas über die Grenzen der Universität berühmt war. Unglücklicherweise hatte er gerade jetzt einen neuen Lehrling eingestellt und nahm seine pädagogischen Pflichten ausgesprochen ernst. Der junge Ian musste jedes Gericht so lange üben, bis er es perfekt beherrschte – was bedeutete, dass die Speisenfolge der ersten Woche, milde ausgedrückt, recht eintönig war.
    »Ich dachte, auf dem Gebiet der Desserts sei der Koch hier geradezu unschlagbar«, brummte Sharen Cobb, die sich zur Wortführerin in Sachen Klagen über das Essen gemacht hatte. »Bisher haben wir nichts anderes als Apfelauflauf und Milchreis bekommen. Das kann meine Mutter auch, zum Teufel!«
    »Aber der junge Ian macht die beiden Gerichte inzwischen wirklich gut, finden Sie nicht?«, wiegelte Kate ab. »In ein oder zwei Tagen wird er sicher so weit sein, sich an eine Crème brûlée oder Himbeer-Bavaroise zu wagen.«
    »Um Himmels willen! Das ist doch reinstes Gift für den Cholesterinspiegel!«, wandte Martha Hawkins ein.
    »Ich glaube, ein paar Wochen dürften da keinen allzu großen Schaden anrichten«, meinte Kate heiter. Martha war spindeldürr und trug höchstens Größe 36. Ihrem Cholesterinspiegel würde es wahrscheinlich wenig ausmachen, wenn er – wie auch die verzehrte Kalorienmenge und der Gehalt ihrer Nahrung an gesättigten Fettsäuren – kurzfristig ein wenig anstiege.
    »So, Curtis«, sagte Kate, »ich glaube, es ist Zeit, uns für den Empfang heute Abend ein wenig schön zu machen.«
    »O nein, Kate«, erwiderte er ernst, »Sie brauchen sich wirklich nicht schöner zu machen, als Sie schon sind.«
    Wäre Curtis ein wenig anziehender gewesen, hätte Kate sich über das Kompliment gefreut.

    Als sie zu Hause ankam, um sich festlich, aber dennoch sittsam umzuziehen – eine Kombination, die ihr Kleiderschrank kaum herzugeben vermochte –, sah Kate, dass der Anrufbeantworter blinkte. Sie zögerte, ehe sie es wagte, den Knopf zu drücken, bezeichnete sich selbst als dumme Kuh und hörte die Nachricht schließlich ab. Es war Paul. Er klang kurz angebunden und forderte sie auf,

Weitere Kostenlose Bücher