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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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nicht die ganze Bevölkerung
    Londons gerettet werden konnte, und selbst wenn es versucht worden wäre, die darauf ausbrechende Panik alle Rettungsoperationen für bestimmte Schlüsselpersonen ernstlich gestört haben würde.«
    Holman faßte ihn am Ärmel und brachte ihn zum Stehen.
    »Mit anderen Worten, man versuchte es gar nicht erst? Man
    ließ die Leute in den Betten, während der Nebel — ?« »Natürlich hat man einen Versuch gemacht!« versetzte
    der junge Mann in ärgerlichem Ton. »Aber man gebrauchte
    den gesunden Menschenverstand. Ein Drittel der verfügbaren Kräfte wurde eingesetzt, um bestimmte Leute zu warnen und hierher zu bringen, die restlichen zwei Drittel taten, was sie konnten. Tausende entkamen in die Vororte,
    weil die Armee sie warnte, aber London ist groß, wie Sie
    wissen. Der gesunde Menschenverstand mußte die Oberhand behalten.« Er entzog ihm den Arm und marschierte
    weiter. Holman starrte ihm mit offenem Mund nach. Dann
    folgte er ihm mit grimmiger Miene.
    Sie betraten eine große, von Menschen wimmelnde Halle.
    Hier hatte jeder eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen, und
    wohin das Auge blickte, waren elektronische Geräte, beleuchtete Übersichtskarten, Bildschirme. Trotz der Aktivität
    herrschte eine ruhige Atmosphäre, als sei aller Aufruhr, der
    jetzt an der Oberfläche herrschte, eine Welt entfernt, unwirklich, weil er weitgehend ungesehen blieb; die Bildschirme zeigten nur graue Leere, und wenn bisweilen eine schemenhafte Gestalt im Aufnahmebereich erschien, verschwand sie ebenso rasch wieder daraus.
    Sie wissen es nicht, dachte Holman. Sie wissen nicht, wie es
    da oben zugeht; der vollendete Wahnsinn, der jetzt die
    Stadt im Griff haben mußte, das Chaos, das hinter jenen Nebeln lag, die auf den Bildschirmen zu sehen waren. Sie waren schockiert, gewiß, fühlten aber keine wahre, tief empfundene Trauer. Das konnte man auch nicht von ihnen erwarten. Es war eine unwirkliche Lage. Natürlich kannten
    sie die Tragödie von Bournemouth, und der Flugzeugabsturz konnte ihnen nicht entgangen sein; aber wie sollte der
    menschliche Verstand sich mit der Tatsache abfinden, daß
    eine der größten Städte der Erde verrückt geworden war?
    Nur er konnte den vollen Schrecken ermessen, weil er ihn
    mit eigenen Augen gesehen, ja selbst erfahren hatte. Aber
    vielleicht würden sie genauso handeln, wenn es der atomare Vernichtungsschlag gewesen wäre, für den der Bunker
    ursprünglich gedacht gewesen war. Betroffen waren vor allem diejenigen, die nichts tun konnten als zusehen und abwarten. Und sich den Kopf zerbrechen.
    »Hier entlang, Mr. Holman«, unterbrach die Stimme des
    jungen Mannes seine Gedanken. Er stand bei einer Tür, die
    von einem bewaffneten Soldaten bewacht wurde. Holman
    ging mit fragendem Blick auf die beiden zu.
    »Das ist der Planungsraum«, erläuterte der junge Mann.
    »Der Minister wartet, um Sie selbst in Kenntnis zu setzen.« Während er das Katastrophenfahrzeug die neblige Straße
    entlangsteuerte, hielt Holman Ausschau nach Menschengruppen. Diese waren am gefährlichsten, Leute, die sich zu
    Rudeln zusammengetan hatten und wie Wölfe nach einsamen und wehrlosen Opfern suchten. Die meisten Menschen auf den Straßen ignorierten den seltsam geformten
    Wagen, denn heute war alles seltsam. Mason war jetzt ohne
    Helm, weil das Fahrzeug seit ihrer Ausfahrt aus dem Bunker noch nicht geöffnet worden war. Sie benutzten den Reservewagen, da das Innere des anderen noch entgiftet wurde. Mason grinste ihm nervös zu. »Wie fühlen Sie sich?«
    fragte er, mehr aus Unbehagen über die bedrückende Stille
    als aus wirklicher Neugierde.
    »Schlecht«, antwortete Holman. »Am liebsten würde ich
    weiterfahren, bis wir offenes Land erreichen, weg von diesem Alptraum.«
    »Ich weiß, was Sie meinen«, sagte Mason, »aber eine
    Menge hängt von uns ab, Sir. Ich brauche Sie als Führer. Ich
    werde nichts sehen können, sobald ich hinauskomme, nicht
    mit dieser Ausrüstung.«
    »Der Nebel scheint jetzt nicht mehr so dicht zu sein.« »Nein. Wie ich sagte, er breitet sich aus, wird dünner.
    Aber nach den Wetterbeobachtungen zieht er noch nicht ab.
    Nun, wir werden nicht lange draußen bleiben müssen; nur
    so lange, daß ich etwas von dem Zeug in unseren Behälter
    saugen kann, und dann geht es zurück. Wenn ich nicht Ihre
    Augen nötig hätte, würde ich es allein tun.«
    Der gute Mann wußte noch nicht mal die Hälfte, dachte
    Holman. Er war mit einem Revolver bewaffnet, den er in einem

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