Unheil
Menschenmenge zuhielt. Sie hörten das Krachen, denn obwohl ihr Fahrzeug
schalldicht war, hatte es Empfänger auf der Oberfläche, die
von draußen kommende Geräusche auffingen, eine Funktion, die wegen der schlechten Sichtverhältnisse notwendig
war.
»O Gott«, schnaufte Mason. »Das ist furchtbar.«
»Es geht erst los«, erwiderte Holman mit einem Gefühl
grausamer Befriedigung. »Es wird noch schlimmer werden.«
Und es wurde schlimmer. Sie kamen an vielen brennenden Häusern und Wagen vorbei; Dutzende von Menschen
durchstreiften jede Straße und verrieten durch ihren Ausdruck und ihre Bewegungen, daß sie den Verstand verloren
hatten; verwirrte Menschen saßen zusammengekauert in
Winkeln und starrten aus aufgerissenen, angstvollen Augen
umher. Sie passierten Leichen, die offensichtlich aus den
umstehenden hohen Gebäuden gefallen oder gesprungen
waren; sie hörten Schreie, Gelächter, Gesang; sie sahen
Menschen auf den Knien beten. Und der seltsamste Anblick
war der von Menschen, die sich scheinbar normal verhielten, an Bushaltestellen anstellten, munter und zielbewußt
einherschritten, als wären sie auf dem Weg zur Arbeit,
Schirme und Aktentaschen in den Händen, die in offene Bürohäuser gingen oder geduldig vor anderen warteten, deren
Türen noch verschlossen waren, die miteinander plauderten, als ob es ein ganz gewöhnlicher Arbeitstag wäre, die
keinen Blick für das Chaos hatten, das sich um sie her ausbreitete. Aber das war ihre Geistesverwirrung.
Langsam fuhren sie die Fleet Street zum Ludgate Circus
hinunter, stählten sich gegen die Bilder, widerstanden dem
manchmal überwältigenden Drang, anzuhalten und jenen
zu helfen, die sich in einer besonders gefährlichen Lage befanden. Holman war dankbar, daß sie keine Kinder sahen.
Vermutlich würde sich das ändern, sobald sie durch die
Wohnviertel kämen, aber er hoffte, sie würden durch den
verhüllenden Nebel seinem Blick verborgen bleiben, denn
er bezweifelte, daß er es über sich bringen würde, einem
Kind in Not nicht zu helfen.
Am unteren Ende der Fleet Street sahen sie sich plötzlich
von einer Menge umgeben. Die Männer schlugen an die gepanzerten Flanken des Fahrzeugs und versuchten, durch
die kleinen Schlitzfenster hereinzuspähen. Sie schlugen gegen das Panzerglas, als wollten sie es zerbrechen. Holman
und Mason hörten schwere Tritte über ihnen, als die ersten
das Dach erklettert hatten und darauf herumliefen.
»Gott, das müssen die verdammten Drucker sein, die hier
arbeiten!« sagte Mason.
»Ja, wahrscheinlich die Nachtschicht«, sagte Holman.
»Aber sicherlich wird man sie gewarnt haben?«
Mason zuckte die Achseln. »Wir müssen durchfahren!« Im nächsten Augenblick begann das schwere Fahrzeug
von einer Seite zur anderen zu schaukeln.
»Die wollen uns umwerfen!« rief Holman durch den
Lärm.
»Fahren Sie zu, Mann!« befahl Mason, beugte sich vor
und schaltete die Tonübertragung aus. Er wollte nicht, daß
Holman die Schreie hörte, wenn sie sich durch die Menge
Bahn brachen.
Holman trat aufs Gaspedal; so sehr er bedauerte, was er
zu tun hatte, wußte er doch, daß es sein mußte. Er erinnerte
sich an Winchester und hatte weniger Mitgefühl für die
Menschen und mehr Interesse an seinem eigenen Überleben.
Der Wagen fuhr mit einem heftigen Ruck an, und die erschrockenen Männer sprangen zurück. Andere waren langsamer und verschwanden unter den Rädern. Holman fühlte
das Rumpeln, als das schwere Fahrzeug ihre Körper überfuhr, aber er ließ den Fuß auf dem Gaspedal und beschleunigte, bis die Männer auf dem Dach herunterflogen. Er
pflügte durch die wogende Masse und schüttete sich ab gegen das Schicksal seiner unglücklichen Opfer. Vielleicht
konnte er es tun, weil er sie als eine Bedrohung und nicht als menschliche Wesen betrachtete. Vielleicht dachte er, daß sie wegen ihres Wahnsinns weniger menschlich seien. Oder vielleicht war es der Umstand, daß er überhaupt keine Zeit
zum Nachdenken hatte.
Endlich hatten sie vor sich freie Bahn und fuhren die Steigung zur St. Paul's Cathedral hinauf. Jetzt erst begannen
Holmans Hände zu zittern.
Mason bemerkte es. »Hier, lassen Sie mich ans Steuer. Sie
haben genug.«
»Nein, es geht schon«, sagte Holman. »Ich fahre lieber,
statt dazusitzen und nachzudenken. Überprüfen Sie Ihre Instrumente; vergewissern Sie sich, daß wir noch in die richtige Richtung fahren.«
Mason klopfte ihm beruhigend auf die Schulter und
wandte sich
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