Unheil
weiter- fuhr. Das frage ich mich. Er hatte noch immer keine Erklärung für sein Unbehagen an dem Nebel. Die Ärzte hatten gesagt, sein Zusammenbruch könne durch Gas verursacht worden sein, das aus der Erdspalte entwichen sei. Es war ei- ne ziemlich weit hergeholte Möglichkeit, aber dieser Geruch war ihm irgendwie bekannt vorgekommen, und er wußte, daß er ihn vor dem Erdbeben niemals wahrgenommen hatte. Ein Stöhnen hinter ihm unterbrach seine Gedanken.
»Gott, habe ich Kopfschmerzen!« ächzte Hodges.
»Wir fahren Sie zu einem Arzt«, versicherte ihm Casey und schaute widerwillig von der nebligen Straße weg, um den unglücklichen Busfahrer zu betrachten.
»Natürlich wird man mir die Schuld daran geben«, sagte der Busfahrer in kläglichem Ton. »Dafür wird Summers sorgen. Der elende Bastard. Oh, Verzeihung, Miß.«
Summers war vermutlich der Lehrer, den sie bei den Jun- gen zurückgelassen hatten.
»Konnte mich nie leiden. Ging ihm gegen den Strich, daß ich mit den Jungen gut konnte.«
»Ist er Direktor von Redbrook?« fragte Holman.
»Nein! Er ist bloß stellvertretender Direktor, aber wie er sich aufführt, könnte man meinen, er sei der Chef. Die Jungen nennen ihn Käpt'n Hook.« Er lachte und zuckte vor Schmerz zusammen. »Dabei war alles seine Schuld.«
»Wie meinen Sie das?«
»Na, ich fuhr so dahin und hatte ein bißchen Spaß mit den Jungen, wissen Sie, gab vielleicht ein bißchen an, und er fuhr mich an, als ob ich einer von den Jungen wäre. Nun, ich schaue nach hinten, um ihm die passende Antwort zu geben, und schwupp — liegen wir im Graben. Kann von Glück sagen, daß ich nicht durch die Scheibe geflogen bin, wahrhaftig. Jedenfalls gehen bei mir die Lichter aus, und wie ich wieder zu mir komme, merke ich, daß mir das Blut übers Gesicht rinnt, und wissen Sie was? Er zieht immer noch über mich her. Ist nicht richtig, oder?«
Holman schmunzelte und sagte nichts. Seine Heiterkeit schwand schnell, als er bemerkte, daß der Nebel noch dichter wurde. Er schaltete auf den ersten Gang zurück, fuhr im Schrittempo und beugte sich über das Lenkrad, bis er mit der Nase an die Windschutzscheibe stieß.
»John, was ist das?« Casey faßte seinen Arm und blickte an ihm vorbei nach rechts.
Er schaute aus seinem Seitenfenster hinaus, sah aber nur den ziehenden Nebel. »Was? Ich kann nichts sehen.«
»Jetzt ist es weg. Vielleicht war es nichts, aber ich glaubte einen Lichtschein zu sehen. Etwas Weißliches, das durch den Nebel schien, aber es verschwand gleich wieder. Eine dichtere Nebelbank muß vorbeigezogen sein. Ich kann es nicht mehr sehen.«
»Vielleicht war es nur eine Aufhellung, wo die Sonne durchschien.«
»Ja, vielleicht.«
Ihre Aufmerksamkeit wurde wieder auf ihren Passagier gelenkt, der neuerlich zu fluchen begann.
»Gottverdammtes Wetter! Kaum scheint mal ein bißchen die Sonne, steckt man schon wieder im Nebel. Zeichen der Zeit.«
»Wie meinen Sie das?« fragte Holman.
»Nun, wir hatten einen schönen friedlichen Sommer, nicht wahr, hätte nicht besser sein können. Und was geschieht? Ein verdammtes Erdbeben, ausgerechnet hier in Wiltshire!« Seine Stimme hob sich, und wieder verzog er in Schmerzen das Gesicht. »Und dann gestern. Haben Sie gehört, was gestern war?«
Holman schüttelte den Kopf, ganz auf die Straße konzentriert. »Sie meinen die Axtmorde?« fragte Casey.
»Ja. Steht heute in allen Zeitungen. Passierte gar nicht weit von dem Erdbebendorf. Ein reicher Kerl, Oberst Soundso, wurde mit seiner Frau und allem Hauspersonal ermordet, Köchin und Dienstmädchen, glaube ich. Alle mit einer Axt erschlagen. Und der Kerl, den sie für den Täter halten, hackte sich selbst auf dem Handgelenk herum, bis er verblutete. Bekannte von diesem Oberst kamen zu Besuch und sahen die Leichen alle nur so herumliegen. Ich weiß nicht, was noch werden soll, es kommt alles Schlag auf Schlag.«
»Ja«, sagte Holman, »es ist, wie Sie sagten. Einen Augen- blick sonnig, im nächsten dunkel.«
»Und nun werde ich wahrscheinlich meine Stelle verlieren.«
»Nein, sicherlich nicht«, sagte Casey in mitfühlendem Ton.
»Ah, Sie kennen den alten Käpt'n Hook nicht. Konnte mich noch nie leiden. Immerhin weiß ich ein paar kleine Geheimnisse über ihn.« Hodges stöhnte wieder. »Wie weit ist es noch?«
Noch weitere fünfzehn Minuten blieben sie eingehüllt in den dichten Nebel, dann kamen sie plötzlich hinaus ins schönste Sonnenlicht. Der Wechsel war so abrupt, als wären sie durch ein
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