Unheil
gedämpftes Geräusch zu hören, aber Barrows flüsterte ihm etwas zu und lenkte ihn ab.
»Oben ist Licht eingeschaltet worden.« Barrow war bereits auf der Treppe, und Holman eilte ihm nach. Um den Kriminalbeamten einzuholen, nahm er zwei Stufen auf einmal.
»Es ist das Schlafzimmer ihres Vaters«, flüsterte er Barrow zu, als sie von der Treppe aus Teile des Obergeschosses einsehen konnten.
»Wir werden schön dumm dastehen, wenn wir finden, daß er sich anzieht, um zur Arbeit zu gehen«, spottete der Inspektor.
»Lieber dumm aussehen als ein Messer in die Kehle zu bekommen.«
»Mein Gott, und so was ist Ihre Freundin!«
»Ich sagte Ihnen schon, sie ist nicht verantwortlich. Sie hat den Verstand verloren.«
Barrow schnaufte. »Jemand hat ihn verloren, das ist gewiß.«
Holman sah ihn stirnrunzelnd an. »Sie glauben mir noch immer nicht.«
»Hören Sie zu, Mann. Ich habe Anweisung von Wreford, auf Sie einzugehen. Das bedeutet nicht, daß ich Ihnen glauben muß!«
»Barrow, Sie sind ein charmanter Mensch. Aber Sie haben Ihre Anweisungen — also spielen Sie mit.«
Er wandte sich um und stieg die restlichen Stufen zum Obergeschoß hinauf. Dort angelangt, machte er halt, um zu horchen. Barrow gesellte sich zu ihm, und sie schlichen durch den Korridor auf den dünnen Lichtstreifen zu, der unter der Schlafzimmertür hervordrang.
Holman drückte langsam und mit angehaltenem Atem die Klinke nieder und machte die Tür vorsichtig auf.
Das Licht kam von einer kleinen Nachttischlampe, die das Zimmer matt erleuchtete. Eine Gestalt lag im Bett, von der sie nur den Kopf sehen konnten. Die offenen Augen blickten zur Decke; das Gesicht wirkte grau und eingesunken, wie überhaucht von Totenblässe.
»Simmons!« Holman eilte zum Bett und beugte sich über die Gestalt. Seine schlimmsten Befürchtungen waren wahr geworden. Langsam richtete sich der Blick der starren Augen auf ihn, und die blutleeren Lippen bewegten sich, als wollten sie sprechen. Barrow drängte Holman beiseite und beugte sich über den Mann.
»Was ist geschehen, Sir? Wo sind Sie verletzt?«
Die Augen sahen den Kriminalbeamten an, dann wieder Holman.
»Sie haben ihr das angetan«, sagte er mit matter Stimme. »Sie brachten sie dazu, dies zu tun.«
Holman war so bestürzt, daß er nichts sagen konnte. Er richtete sich auf, suchte nach Worten. »Wo ist Casey — Christine?« brachte er schließlich hervor.
»Warum, warum hat sie es getan?« Simmons blickte nach unten, als wollte er auf etwas hinweisen.
Barrow schlug die Decke zurück, und den beiden Männern stockte der Atem. Das Ende einer Schere ragte aus Simmons Magen, und sein Pyjama und das Bettlaken waren blutdurchtränkt.
»Großer Gott!« hauchte Barrow. Er wandte sich zu Holman. »Ich werde zu Jennings laufen, daß er einen Krankenwagen anfordert. Es gibt noch eine Chance, ihn zu retten, wenn wir keine Zeit verlieren. Stützen Sie seinen Kopf mit einem Kissen, damit er nicht an seinem eigenen Blut erstickt. Und rühren Sie die Schere nicht an. Ziehen Sie sie auf keinen Fall heraus!« Er eilte hinaus, und Holman hörte ihn die Treppe hinunterrennen, offensichtlich zwei und drei Stufen auf einmal überspringend.
Holman schlug die Decke wieder über die Wunde. Ihm war übel, nicht so sehr vom Anblick des Blutes als vielmehr bei dem Gedanken, daß Casey es getan hatte. Er beugte sich näher zu ihrem Vater, als dieser die Lippen bewegte. Seine Worte waren ein kaum hörbares Wispern.
»W-warum hat sie es getan? Ich liebte sie, sie wußte das.«
»Sie war nicht verantwortlich«, antwortete Holman mit gedämpfter Stimme, als ob laute Worte den Zustand des Mannes weiter verschlechtern könnten. »Sie kam in Berührung mit einem — einem giftigen Gas, das ihr den Geist verwirrte.« Simmons sah verwundert aus, als verstünde er die Bedeutung der Worte nicht, dann aber hörte er beinahe mit Erleichterung zu. Sie hatte versucht, ihn zu töten, weil sie krank war — es war nicht ein Mordversuch aus Haß gewesen; das genügte seinen geschwächten Sinnen einstweilen. Er begann wieder zu flüstern. »Ich brachte sie vom Krankenhaus hierher. Man sagte mir, was Sie ihr angetan hatten.« Sein fahles Gesicht verzerrte sich vor Anstrengung und Schmerz.
»Ich habe ihr nichts getan«, versicherte ihm Holman. »Es war das Gas. Es verwirrte ihr den Geist.«
»Ich — ich brachte sie nach Haus. Sie schien benommen, legte immer wieder die Hände an die Schläfen, als hätte sie Kopfschmerzen. Im Krankenhaus
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