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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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wollte man sie nicht gehen lassen, aber ich dachte mir, sie wäre hier besser aufgehoben. Ich steckte sie ins Bett und setzte mich zu ihr, um mit ihr zu reden. Sie schien mich nicht zu hören. Ich sagte ihr manches, worüber ich noch nie mit ihr gesprochen hatte, aber sie machte einen völlig abwesenden Eindruck.«
    Er begann zu hüsteln, und Holman machte sich Sorgen, daß ihm Blut in die Kehle steigen könnte. Er schob die Hand unter den Kopf des älteren Mannes, um das zu verhindern, wußte aber nicht, ob die Maßnahme ausreichen würde, ein Ersticken zu verhindern.
    Es gelang Simmons, seinen Husten unter Kontrolle zu bringen, und er lag schweratmend da. »Ich liebte sie«, fuhr er fort. »Vielleicht zu sehr.«
    Holman sagte nichts.
    »Und — und ich sagte ihr etwas, wovon ich noch nie mit ihr gesprochen hatte.«
    »Sprechen Sie jetzt nicht mehr. Versuchen Sie Ihre Kräfte zu schonen.« Holman hörte kaum hin, denn er hatte bemerkt, daß das Blut nun auch durch die Decke drang.
    »Nein, ich muß es Ihnen sagen, Holman. Sie haben ein Recht, es zu wissen — Sie lieben sie auch.« Seine Hände machten eine Bewegung, als wollten sie nach der Schere unter der Decke greifen, aber sie sanken schlaff zurück. »Ich — ich bin nicht ihr Vater, Holman. Ihre Mutter, eine Person ohne Anstand und Ehre, nannte mir den Namen ihres wirklichen Vaters, kurz bevor wir geschieden wurden. Aber es war mir gleich, ich liebte das Kind, und ich kämpfte um das Sorgerecht. Vor dem Scheidungsrichter konnte ihre Mutter nicht behaupten, daß Christine nicht mein Kind sei, weil sie damit ihre Untreue zugegeben hätte. Und dafür war sie zu schlau und geldgierig.« Der Schatten eines bitteren Lächelns ging über das eingefallene Gesicht.
    Das erklärte manches an dem Verhalten des Mannes zu Casey. Er betrachtete sie als seine Tochter, doch weil er wußte, daß sie es nicht war, hatte sich ein anderes Element in ihre Beziehung eingeschlichen. Ein Element, dessen Casey sich nicht bewußt gewesen war, und das Holman nur geargwöhnt hatte. Gleichwohl war es ein unschöner Gedanke, der ihm den Mann nicht sympathischer machte.
    »Heute abend sagte ich es ihr — deshalb hat sie mir dies angetan«, murmelte Simmons, mehr zu sich selbst als zu Holman.
    »Nein, es war nicht deswegen. Ich sagte Ihnen, es war das Gas.«
    »Ich glaube, sie konnte das in ihrem Zustand nicht ertragen.« Er war zu tief in seine reumütigen Betrachtungen versunken, um auf Holman zu achten. »Ich wachte auf, ich weiß nicht, wann es war, und da stand sie an meinem Bett. Ich hatte die Lampe eingeschaltet, für den Fall, daß sie mich während der Nacht brauchen würde, und ich konnte sie gut sehen; sie blickte mit ausdruckslosem Gesicht auf mich herab, die Hände auf dem Rücken.« Eine Träne glänzte in seinem Augenwinkel. »Ich — ich streckte die Arme zu ihr aus, um sie an mich zu ziehen... Es war ein Mißverständnis.«
    Holman runzelte die Brauen. Mißverständnis?
    »Sie beugte sich über mich, zog mir die Decke weg, und ich sah sie mit der Schere zustoßen...«
    Er schloß die Augen.
    Ehe Holman sich über eine Antwort klar werden konnte, die geeignet wäre, den Mann zu trösten, unterbrach ein Schrei aus dem Erdgeschoß seine Gedanken. Es hatte sich wie ein Mann angehört, wahrscheinlich Barrow.
    Holman verließ den Schwerverletzten und stürzte hinaus zum Treppenabsatz. Geräusche drangen herauf, anscheinend aus dem Arbeitszimmer dumpfes Poltern von umgeworfenem Mobiliar und lautes Geschrei. Er flog die Treppe hinab und stieß die Tür zum Arbeitszimmer auf.
    Barrow kroch am Boden und blutete aus einer Wunde am Kopf. Casey stand zwei Schritte von ihm entfernt, hielt einen gefährlich aussehenden langen Glassplitter in der Hand und schien im Begriff, sich auf ihn zu stürzen. Zu ihren Füßen lagen die zerschellten Reste des großen alten Wandspiegels. Noch ein, zwei Atemzüge, und sie mußte Barrow den spitzen Splitter in den Nacken stoßen, bevor er auf die Beine kommen konnte.
    »Casey!«
    Sie wandte den Kopf zu ihm, und für die Dauer eines Augenblicks schien sie ihn zu erkennen. Dann lächelte sie breit und ging auf ihn zu. Er blieb stehen, noch wachsam, und streckte eine Hand zu ihr aus. »Casey«, sagte er in freundlichem Ton.
    Mit einem Knurren, das ihr lächelndes Gesicht in eine haßerfüllte Grimasse verwandelte, warf sie sich auf ihn und stieß nach seinem Gesicht.
    Er duckte sich, ließ sie halb vorbei und stieß ihr mit voller Kraft den Ellbogen in

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