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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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der Menschen aus bedrohten Gebieten, und Methoden zur Auflösung des Nebels wurden erörtert. Berater und Ministerialbeamte gingen, ihre Aufträge auszuführen, andere wurden hereingerufen, um Anweisungen entgegenzunehmen, die sie nur teilweise verstanden, aber dessen ungeachtet ausführten. Der Polizeipräsident erhielt eine schriftliche Botschaft und unterbrach die Einzelgespräche.
    »Das Nebelfeld ist lokalisiert«, verkündete er mit düsterer Stimme. »Es treibt wieder nordwärts. Auf Winchester zu.«

12

    Flugkapitän Joe Ennard nahm seinen Platz in der Pilotenkanzel der riesigen Boeing 747 ein und begrüßte seine Besatzung mit einem gezwungenen Lächeln.
    »Wie war der freie Tag?« fragte der Flugingenieur. »Ungeheuer«, sagte Ennard ohne Enthusiasmus. Er dachte an seinen Tag mit Sylvia, der so gut angefangen hatte und so elend zu Ende gegangen war, während er die Instrumente überprüfte. Er drückte den Sendeschalter und holte vom Kontrollturm die Erlaubnis zum Starten der Triebwerke ein. Zusammen mit seinem Ersten Offizier begann er Schalter zu betätigen, und der Jumbo erwachte grollend zu vibrierendem Leben. Die Triebwerksgeräusche verstärkten den dumpfen Schmerz hinter den Augen, der ihn seit einiger Zeit peinigte.
    Er hatte den letzten Tag mit seiner Frau im New Forest verbracht, um etwas von der alten Übereinstimmung wiederzufinden, die ihre Ehe früher ausgezeichnet hatte. Seine eher beiläufigen Abenteuer in den letzten paar Jahren waren Sylvia nicht entgangen, aber wegen ihrer eigenen Unzulänglichkeiten hatte sie versucht, sich mit ihnen abzufinden. Mit achtunddreißig hatte sein Trieb gegenüber früheren Jahren kaum nachgelassen. Ob es genauso gewesen wäre, wenn ihre Ehe einen normalen Verlauf genommen hätte, wußte er nicht, aber der Umstand, daß Sylvia den Geschlechtsakt so abstoßend fand, hatte sein Verlangen nach Befriedigung anscheinend verstärkt, statt es zu vermindern. So war er trotz der Tatsache, daß er sie noch immer liebte, gezwungen gewesen, sich nach dem, was ihm in ihrer Ehe fehlte, anderswo umzusehen.
    Die Ironie dabei war, daß er sich deswegen schuldig fühlte. Sylvia sprach niemals von seiner Untreue, machte ihm niemals Vorwürfe wegen seines Fehlverhaltens. Oft fand er sie in stillen Tränen, aber es waren nicht Tränen der Anklage; nur Tränen des Bedauerns. Es hatte zwei Jahre nach ihrer Hochzeit angefangen, als sie das Kleine verloren hatten. Es war nicht Sylvias Schuld gewesen, aber niemand, nicht einmal die Ärzte, hatten sie davon überzeugen können. Joe Ennard war bei der Geburt dabei gewesen, und noch jetzt sah er das kleine menschliche Wesen vor sich, das aus ihrem Leib gekommen war, so winzig, so vollkommen — so tot. Die Ärzte hatten natürlich alle Antworten gewußt, aber Antworten konnten das Kind nicht lebendig machen, die zerstörten Hoffnungen nicht wieder erneuern.
    Danach befürchtete sie, daß es wieder genauso kommen würde, sollte sie neuerlich schwanger werden, und das hatte zu ihrer Frigidität geführt. Selbst die Vorsichtsmaßnahmen, die er ergriff, konnten ihre Bedenken nicht zerstreuen, und nach einiger Zeit hatte er die Versuche aufgegeben. Dennoch liebten sie einander von Herzen, und seine Seitensprünge waren genau das und nicht mehr. Nie kam es zu einer gefühlsmäßigen Bindung, stets blieb es bei dem körperlichen Akt, der ihm Erleichterung verschaffte. War es möglich untreu zu sein, und doch seine Frau zu lieben? Er wußte, daß die Antwort, wenigstens in seinem Fall, ja lautete.
    Und dann gestern. Ein Tag, der sie enger hatte zusammenführen sollen, um die Kluft zu schließen, die sich, wie er spürte, zwischen ihnen aufgetan hatte. Die Jahre der Untreue forderten endlich ihren Tribut, und er hatte beschlossen, nicht mehr außerhalb seiner Ehe nach körperlicher Befriedigung zu suchen. Er war mit ihr zum New Forest gefahren, wo sie vor ihrer Ehe viel Zeit miteinander verbracht hatten, um ihr seine Liebe und Treue zu geloben und zu versprechen, daß er seiner körperlichen Bedürfnisse wegen nicht mehr Verrat an ihrer Gemeinsamkeit üben wolle, daß es noch immer genug in ihrer Ehe gebe, um sie aneinander zu binden und darauf zu bauen.
    Aber in dem Nebel, der sie plötzlich dicht und kalt eingehüllt hatte, hatte sie ihm gesagt, daß sie ihn verlassen wolle. Sie habe einen anderen gefunden, der bereit sei, mit ihr zu ihren Bedingungen zu leben, der nicht andere Frauen brauchen würde, um sein Verlangen zu stillen, der sich

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