Unheil
daß alle Beschwörungen wirkungslos bleiben würden. Und sie verstand, daß das Leben vieler Menschen wichtiger war. Trotz aller technologischen und medizinischen Fortschritte schien das Überleben Tausender von Menschen von einem Mann abzuhängen.
Barrow wartete draußen auf dem Korridor. »Man will Sie wieder hineinschicken«, sagte er.
»Was ist mit den Vorrichtungen, mit denen das Zeug eingefangen werden sollte?«
»Die Aktion ist danebengegangen. Die Mutation selbst ist nicht in die Nähe der Auffangstationen gekommen. Gegenwärtig besprühen sie den Nebel aus den Flugzeugen mit Kalziumchlorid, Hunderten von Tonnen, und er scheint zurückzugehen. Man hofft, daß Sie sich bereithalten, hineinzugehen, wenn der Nebel weiter zurückgegangen ist.«
»Und der Wind? Hat er nachgelassen?«
»Ja.«
»Gut. Da mir keine andere Wahl bleibt, werde ich es noch einmal versuchen.«
Ein Hubschrauber flog sie in eine Gegend östlich von Haslemere, wo sie von Professor Hermann Ryker, William Douglas-Glyne und Generalleutnant Sir Keith Mackien erwartet wurden. Die Männer standen inmitten einer Gruppe von Kraftfahrzeugen auf einer Anhöhe, die freien Ausblick auf das umliegende Land gewährte. Holman war beeindruckt von der großen Zahl leichter Sprühflugzeuge, welche die entfernte Nebelwolke überflogen, die in der Abenddämmerung noch unheilvoller als sonst aussah.
Douglas-Glyne schüttelte ihm die Hand. »Mutige Bemühung heute vormittag, Mr. Holman«, sagte er.
Holman setzte ein schiefes Lächeln auf. »Tut mir leid, daß ich den Auftrag nicht ausführen konnte.«
»Keine Sorge. Was lange währt, wird endlich gut, nicht wahr?«
Sir Keith Mackien gesellte sich zu ihnen und erklärte: »Sie müssen es noch einmal versuchen, Holman. Es ist absolut lebenswichtig, daß Sie eine Probe von dem verdammten Zeug herbeischaffen.«
»Ja«, sagte Douglas-Glyne. »Vor ein paar Stunden schickten wir aus reiner Verzweiflung zwei Freiwillige hinein. Sie waren mit Schutzanzügen versehen und fuhren in einem Panzerspähwagen. Vor ungefähr einer Stunde riß die Funkverbindung mit ihnen ab.«
»Also sind Sie jetzt an der Reihe«, sagte Sir Keith.
»Meine Herren«, sagte Professor Ryker, »im Augenblick kann Mr. Holman nichts tun. Wir dürfen die Sprühaktion jetzt, da sie Wirkung zu erzielen scheint, nicht unterbrechen, und Mr. Holman kann schwerlich in eine so starke Konzentration von Kalziumchlorid hineingehen. Unglücklicherweise haben wir den Nebel nicht so sehr auflösen können, wie ich es erhofft hatte, und bald wird es dunkel sein. Bei Nacht aber können wir Mr. Holman nicht in den Nebel schicken; es würde seine Aufgabe nur noch gefährlicher machen.«
»Tausende von Menschenleben stehen auf dem Spiel«, sagte Sir Keith.
»Richtig. Darum ist Mr. Holman für uns so wichtig. Wir dürfen ihn keinem unnötigen Risiko aussetzen — schon gar nicht jetzt, da wir wissen, daß mindestens zwei Verrückte in dem Nebel herumwandern.«
»Aber das wissen wir nicht.«
»Doch, wir wissen es«, sagte Ryker mit einiger Schärfe. »Sie bestanden darauf, Sir Keith, daß die beiden hineingingen. Ich sprach mich dagegen aus. Ich sagte Ihnen, was geschehen würde. Und ich lasse nicht zu, daß Mr. Holman wegen Ihrer Fehlbeurteilung sein Leben riskiert! Er ist zu wichtig für die Gesamtoperation.«
»Wir können nicht einfach dastehen und untätig zusehen«, entgegnete Douglas-Glyne.
»Wir sind nicht untätig. Wir werden den Nebel die ganze Nacht besprühen, solange unsere Vorräte reichen. Bis zum frühen Morgen sollte er so weit aufgelöst sein, daß wir den Kernbereich der Mykoplasmen sehen können — falls er ohne seine schützende Nebelhülle noch sichtbar ist. In der Zwischenzeit, Mr. Holman, sollten Sie sich aufs Ohr legen. Wir werden Sie verständigen, wenn es soweit ist.«
In den frühen Morgenstunden wurde Holman wieder von Barrow wachgerüttelt. Am vergangenen Abend war er noch während der Rückfahrt im Wagen in einen schweren, traumlosen Schlaf gesunken. Die erste Neuigkeit, die er jetzt von Barrow erfuhr, betraf die zwei Freiwilligen, die am Vortag in den Nebel vorgedrungen waren; man hatte sie am Morgen aufgefunden, und die äußeren Umstände ließen den Schluß zu, daß sie einander mit den Schußwaffen getötet hatten, die sie zum Schutz gegen Angriffe von geistesgestörten Opfern der Krankheit bei sich getragen hatten.
Die zweite Neuigkeit aber verwirrte ihn so, daß er sich die Müdigkeit aus den Augen reiben und
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