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Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)

Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)

Titel: Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.M. Nightingale
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keineswegs Amelie war, sondern er selbst. Manche der blassen Gesichter erkannte er wieder. Unter ihnen befanden sich einige wenige Jahrhunderte alte Vampire, die Joe von seinen Zeiten als Jäger wiedererkannte. Sie funkelten ihn zornig an und Joe stellten sich augenblicklich die Nackenhaare auf. Er wusste zwar, dass ihm unter Amelies Schutz nichts passieren konnte, andererseits war er sich nicht sicher, ob die Vampire ihn nicht einfach wegen seiner früheren Existenz als Jäger lynchten, sobald er einmal alleine sein sollte.
         Er senkte den Kopf und versuchte, die umstehende Menge zu ignorieren. Er konnte ihre Blicke im Nacken spüren und sein ganzer Körper spannte sich an. Höchst konzentriert schärfte er all seine Sinne, jederzeit auf einen Überraschungsangriff gefasst. Doch die anwesenden Vampire wagten es offenbar nicht, vor Amelies Augen einen der Ihren anzugreifen.
         „Die mögen dich nicht sonderlich, was?“, flüsterte Michael so leise, dass nur Joe es hören konnte. „Sieh mal, wie die dich anstarren. Als ob sie dich töten wollten.“
         „Kann man ihnen nicht übel nehmen“, meinte Joe. „Anfang des siebzehnten Jahrhunderts habe ich über die Hälfte der Mitglieder dieses Hofes getötet. Das war die letzte Inquisition der Weißen Schwäne, ein furchtbares Massaker. Ich war als einziger noch übrig und wurde hier gefangen genommen. Einige der älteren Vampire erinnern sich wohl noch an diese Zeiten und fanden das alles nicht besonders lustig.“
         Selbst Michael empfand es als erschreckend, welch offene Feindseligkeit Joe ertragen musste. Natürlich war Joe bei keinem der traditionellen Vampire je beliebt gewesen. Immerhin hatte er nicht nur als Jäger unglaublich viele von ihnen getötet, sondern auch als er selbst zum Vampir wurde. Doch dieser eiskalte Hass, den die Anwesenden gegen ihn versprühten, überstieg sogar Michaels Erwartungen. Der einzige Grund, dachte er, warum Joe noch nicht tot war, war wohl die Anwesenheit eines Ratsmitglieds.
         Michael lief dicht hinter Joe her, nur um ihm im Fall der Fälle den Rücken decken zu können, doch Joe drehte sich unwirsch zu ihm um und verscheuchte ihn. Amelie warf den beiden einen äußerst missbilligenden Blick zu. Zügig durchschritten sie die Bibliothek und gingen durch eine weitere Türe in einen großen Raum, in dem nur ein sehr langer, polierter Ebenholztisch befand, um den ein gutes Dutzend hoher Stühle mit Samtpolstern standen. An der Stirnseite des Tisches, direkt vor den ovalen, bunten Glasfenstern, saß ein Mann in einem weißen Seidenhemd und kritzelte mit einem Federkiel ominöse Runen auf ein dünnes Stück Pergament. Sobald sich die Türe schloss sah er auf, legte lächelnd den Federkiel weg und stand mit ausgebreiteten Armen auf.
         „Lady Amelie“, sagte er mit einem strahlend weißen Zahnpastalächeln. „Willkommen! Ich hoffe, Eure Reise war angenehm?“
         „Zufriedenstellend“, meinte Amelie und ließ sich von ihm den Handrücken küssen.
         Als der Mann wieder aufsah, fiel sein Blick auf Joe und sofort gefror sein Lächeln.
         „Jonathan“, sagte er frostig. „Wie schön.“
         „Lorenzo“, erwiderte Joe, nicht weniger steinern.
         Die beiden Männer starrten sich eine Weile unterkühlt an, dann wandte sich Lorenzo an Victor, verbeugte sich vor ihm und reichte dann Michael die Hand.
         „Und Sie sind...?“.
         „Michael Quinn.“
         „Lorenzo. Ich bin das Oberhaupt des Sanguinariums und Herr des Hofes  Clessidra ligamentum .“
         Michael neigte den Kopf und Lorenzo, erfreut über diese respektvolle Geste, lächelte wieder.
         „Setzt euch, bitte. Lady Amelie, zu meiner Rechten.“
         Er bot Amelie den Platz neben seinem eigenen an, Michael und Joe setzten sich direkt daneben. Victor jedoch blieb ungerührt hinter Amelie stehen und faltete die Hände ineinander. Lorenzo warf ihm einen kurzen, nervösen Blick zu, dann ging er zur Tür und neigte seinen Kopf durch den Spalt hinaus.
         „Gérard!“, rief er. „Holen Sie bitte die Kleriker. Wir möchten gerne mit der Versammlung anfangen!“
         Von irgendwo draußen ertönte ein unterwürfiges  „Jawohl, mein Herr!“  und ein schnelles Schlurfen. Lorenzo schloss die Türe und setzte erneut ein feierliches Grinsen auf.
         „Wunderbar“, sagte er und klatschte in die Hände. „Kann ich euch etwas

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