Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)
tun!“
Und während Joe der verschreckten Cordelia Waterman seine Faxnummer durch den Hörer brüllte, stand Michael nervös in der Tür und wartete.
„Ist doch einfach unglaublich!“, fauchte Joe zornig und knallte den Hörer auf die Gabel. „Was bildet sich diese Frau eigentlich ein! Als ob ich irgend so ein verdammter Dienstbote wäre!“
„Ist ja gut“, sagte Michael leise. „Sie macht doch nur das, was ihr aufgetragen wurde...“
Joe schnaubte und klaubte das eben angekommene Formular aus dem Faxgerät. Sauer überflog er es und wollte es schon wieder achtlos auf den Tisch pfeffern, als er innehielt und noch einmal einen prüfenden Blick darauf warf. Schlagartig verschwand das Zähnefletschen aus seinem Gesicht und wich einem entsetzten Ausdruck. Joes Augen waren schreckgeweitet und seine Unterlippe begann dramatisch zu beben.
„Nein“, flüsterte er. „Nein, das kann nicht sein ... Das hätte ich gemerkt, ich hätte es riechen müssen...“
„Was ist los?“, fragte Michael und trat näher heran. „Was steht denn da?“
Joe atmete stoßweise und musste sich an der Anrichte festhalten, sonst wäre er gestürzt.
„Was ist denn los?“, wiederholte Michael nun eindringlicher. „Um Himmels Willen, was steht da drauf?“
Mit zitternder Hand reichte Joe ihm das Formular.
„Sieh auf die Blutgruppe“, hauchte er. „Sieh hin!“
Michaels Augen huschten über den Text. Dort stand sehr viel unnützes Zeug. Zum Beispiel, dass Kyra anscheinend mehrere Allergien gehabt haben musste, als sie noch lebte, dass sie eine ungewöhnlich hohe Anzahl an Hämoglobin im Blut hatte und wahrscheinlich an einer Laktose-Unverträglichkeit litt, doch an der Zeile „Blutgruppe des Patienten“ blieb er hängen.
„Die Bombay-Blutgruppe?“, sagte Michael ungläubig. „Das kann doch nicht wahr sein! Wie soll das gehen? Warum ist uns das nicht aufgefallen?“
„Hast du ihr Blut jemals riechen können?“, fragte Joe bebend.
„Nein ... ich meine, alles, was ich je an ihr gerochen habe, war -“
„Blumen“, sagte Joe. „Blumen, Mike! Sie hat die Bombay-Blutgruppe! Ist dir überhaupt klar, was das bedeutet?“
„Ja ... ich denke schon.“
„Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren, Mike! Wir müssen sie sofort finden!“
Kyra hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Sie wusste nicht ob sie schwebte oder lief. Ihre Umwelt rauschte an ihr vorbei wie verschwommene Schatten ohne klare Umrisse. Sie konnte nichts hören, außer einem stetigen, monotonen Rauschen, konnte nichts riechen, nichts schmecken und auch nichts fühlen. Es war wie das Fallen in ein tiefes, schwarzes Loch. Doch es war nicht das Ende, sondern ein neuer Anfang. Als sie wieder klar denken konnte, wusste sie nicht, ob sie geschlafen hatte oder die ganze Zeit wach gewesen war, denn sie konnte sich nicht erinnern, wie sie hierhergekommen war.
Sie saß auf einem Himmelbett inmitten eines kreisrunden Turmzimmers, dessen gelb gestrichene Wände ausgebleicht und rissig waren. Entlang der Mauern zogen sich antike, aus dunklem Holz gefertigte Schränke und Kommoden und ein steinerner Torbogen zu ihrer linken führte auf einen weitläufigen, von Efeu und wildem Wein überwucherten Balkon. Daneben war eine schwarze Holztür in die Wand eingelassen. Kyra kannte dieses Zimmer. Es war dasselbe wie aus ihrem Traum. Dem Traum, in dem Marius und sie … Sie verscheuchte den Gedanken daran.
Marius saß neben ihr und betrachtete sie still. Er hatte seinen Mantel abgelegt und Kyra konnte sehen, wie sich sein muskulöser Körper unter dem weißen Hemd abzeichnete. Sie war verwirrt und blickte sich hektisch um. Wo war sie hier? Marius musste ihren fragenden Blick bemerkt haben, denn er strich ihr kurz beruhigend über den Kopf und lächelte.
„Hab keine Angst. Du bist in Sicherheit.“
Kyras Herz pochte sehr schnell.
„Wo sind wir?“, fragte sie leise und ängstlich.
„Das ist nicht wichtig. Nur so viel - wir sind einige hundert Meilen gereist.“
„Ach ja...?“
Kyra konnte sich nicht daran erinnern.
„Ja. Aber mach dir nun keine Gedanken darüber. Die Sonne geht bald auf. Du solltest schlafen. Einige anstrengende Tage liegen hinter dir.“
Kyra gehorchte ihm und
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