Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)
über seinen Freund, der dort oben herum trödelte, obwohl sie eigentlich schon längst unterwegs sein sollten. Er selbst konnte es kaum abwarten, endlich etwas zu tun.
„Joe?“, rief er noch einmal und runzelte leicht die Stirn.
Von oben ertönten ein leises Klicken und ein Scharren.
„Michael“, sagte Joes Stimme. „Kommst du bitte mal hoch zu mir?“
Michael stutzte und presste die Lippen aufeinander. Was konnte Joe nur von ihm wollen? Langsam schritt er durch das Wohnzimmer, stieg die Treppe hinauf und sah oben am Sockel Joe stehen, der ungemein angespannt wirkte und dessen Stirn eine tiefe Sorgenfalte zierte.
„Komm mit“, sagte er kurz angebunden.
Michael folgte ihm in das Arbeitszimmer, zögerte kurz an der Türschwelle und betrat dann hinter Joe den Raum. Obwohl Michael nervös und in Eile war und eigentlich nichts weiter wollte, als endlich diese Wohnung verlassen und aufzubrechen, musste er einfach staunen bei dem, was er nun sah.
Regale voller Bücher und seltsamer Gegenstände zogen sich an den Mauern entlang. Überall brannten Kerzen, deren weiches Licht von den fliederfarbenen Wänden gespiegelt wurde, an denen merkwürdige Symbole prangten. Ein runder Kreis war in den dunklen Holzboden gebrannt und im ganzen Raum roch es stark nach Weihrauch und Schwefel.
„Was soll...?“
„Ich wusste, dass ich es dir früher oder später sagen muss“, sagte Joe ernst. „Ich habe nie aufgehört, mich der Magie zu bedienen. Sie schützt mich, wohin auch immer ich gehe und ermöglicht es mir, meine Feinde zu zerstören.“
„Oh Mann, Joe! Das hättest du mir auch früher sagen können! Kein Wunder, dass dir nie etwas passiert ist. Machst du das etwa regelmäßig?“
„Jeden Tag“, gab Joe zu. „Die Magie ist ein Teil von mir. Ich werde nie ohne sie leben können. Das ist mein Schicksal, mein Fluch. Doch heute soll sie uns schützen und uns wappnen für den Weg, den wir beschreiten werden. Komm hierher.“
Joe stand inmitten des verkohlten Kreises und winkte Michael zu sich, der nur sehr zögerlich gehorchte.
„Stell dich mit mir in den Kreis und sieh nach Osten. Ich werde einen Schutzzauber über uns sprechen, der uns vor allem Schaden bewahren kann. Zumindest für drei Tage.“
Michael blickte äußerst skeptisch.
„Weißt du auch wirklich, was du da tust?“, fragte er nervös. „Ich meine ... muss das denn unbedingt sein?“
„Stell dich nicht so an, Mike. Ich habe das schon hundertmal gemacht.“
„Aber...“ Michael wurde rot. „Du hast so viel herum experimentiert mit schwarzer Magie ... Und ich denke nicht, dass das ungefährlich ist! Wenn ich für diesen Unsinn meine Seele verkaufen muss oder so, dann -“
„Für wen hältst du mich?“, fragte Joe aufbrausend. „Ich würde dich nie in eine solche Situation bringen! Nur weil ich früher sehr viel dunkle Magie gebraucht habe, heißt das nicht, dass ich es heute immer noch tue! Den Zauber, den ich über uns legen will, ist das Große Pentagramm-Ritual und verspricht uns den heiligen Schutz der Erzengel. Glaub mir, das hat nichts mit schwarzer Magie zu tun! Und jetzt sei still und bewege dich nicht.“
Michael verspürte keinen Ärger darüber, dass Joe ihm über den Mund gefahren war. Dennoch fühlte er sich nicht besonders wohl, als Joe ihm die Hände in einer Schale Weihwasser wusch und sich dann zu ihm in den Kreis stellte.
„Sei ganz ruhig und hab keine Angst“, sagte Joe. „Es kann das erste Mal sehr eindrucksvoll und furchteinflößend sein. Aber vertrau mir, dir kann nichts passieren, solange du den Kreis nicht verlässt. Ich weiß genau, was ich tue.“
Michael blieb nichts anderes übrig, als Joes Worten Glauben zu schenken und stand still und kerzengerade hinter ihm. Er sah, wie sein Freund tief durchatmete, als würde er sich für einen großen Angriff sammeln. Dann, ohne Vorwarnung, begann er sein Ritual. Mit zunehmend größer werdenden Augen beobachtete Michael die Beschwörung, sah, wie Joe sich bekreuzigte, vier leuchtende Pentagramme in die Luft malte und dabei merkwürdige Worte in einer fremden Sprache aufsagte. Doch als urplötzlich rote Flammen aus dem Boden hervorbrachen, zuckte er haltlos zusammen. Noch schlimmer wurde es, als er die Bildnisse von vier Engeln sah, strahlend hell und
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