Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)
Ordnung.“
Bill sah angespannt und nervös aus und wirkte wie ein erschöpfter und gebrechlicher alter Mann.
„Gut“, sagte er. „Ruht euch einen Moment aus. Und dann geht. Wir müssen uns beeilen, bevor Marius und Samael sich in diesen Krieg einmischen!“
Kyra starrte wie gebannt auf den Mann, der langsam und erhaben auf sie zu schritt. Seit ihrer ersten Begegnung hatte er sich nicht verändert. Noch immer war sein kurzes Haar sehr dunkel, genau wie seine Augen, hinter deren Schwärze ein leichtes, rotes Glimmen funkelte. Seine Haut war bleich und seine spitzen, weißen Fangzähne umspielte ein zufriedenes, erwartungsvolles Lächeln.
„Marius“, hauchte Kyra, nicht wissend, ob sie wütend sein oder sich freuen sollte.
Da stand er nun vor ihr, nach all der Zeit des Suchens und des Fragens, gekleidet in ein schlichtes weißes Hemd, eine schwarze Hose und seinen weinroten, samtenen Mantel, der ihm spielerisch um den Körper wehte. Ein freundlicher Ausdruck lag in seinem Gesicht, der Kyra gegen ihren Willen beruhigte. Sie wollte eigentlich schreien, ihn anbrüllen, ihn fragen, warum er sie verwandelt und anschließend allein gelassen hatte, warum er es zuließ, dass sie so sehr leiden musste. Und gleichzeitig jedoch war sie so unendlich froh, ihn zu sehen. Denn dies bedeutete, dass sie nun endlich Antworten auf all ihre Fragen bekam.
Sie fing an zu zittern, als Marius vor ihr auf die Knie ging und sie eingehend betrachtete. Erst jetzt fiel Kyra auf, dass sie noch immer nackt war. Langsam streckte er die Hand nach ihr aus, doch Kyra zuckte zurück und riss die Augen auf.
„Keine Angst“, sagte Marius mit seiner tiefen, angenehmen Stimme. „Du wirst mir nicht wehtun.“
Und er griff durch das Feuer hindurch, das Kyra umgab, ohne sich zu verletzen, ohne auch nur die geringsten Anzeichen zu zeigen, dass er die Flammen überhaupt spürte. Er legte ihr die Hand auf den Nacken und zog sie sachte zu sich. Sie ließ es geschehen, obwohl sie sich fürchtete. Sie ließ es zu, dass er ihren Kopf auf seine Brust bettete und sie liebevoll umarmte. Sie hatte nicht gewusst, dass er so sanft sein konnte und war sehr überrascht.
„Du hast dich gefürchtet, nicht wahr?“, sagte er zärtlich und strich ihr über das Haar. „Du hattest Angst, sie würden dich töten. Das brauchst du nun nicht mehr. Ich werde dafür sorgen, dass dir nie wieder etwas zustößt.“
Kyra grub ihr Gesicht in sein Hemd und klammerte sich an seinen Mantel. Seine Haut fühlte sich sehr kalt an, dennoch konnte sie spüren, dass sein Herz kraftvoll schlug. Heiße Tränen flossen ihr die Wangen hinunter als sie sich in Erinnerung rief, wie hasserfüllt Seth und Daniel gewesen waren.
„Weine nicht“, sagte Marius beruhigend. „Jetzt wird alles gut. Du bist bei mir.“
„Warum hassen sie mich so?“, schluchzte Kyra. „Ich habe ihnen nie etwas getan...“
„So sind die Menschen. Es liegt in ihrer Natur, Dinge zu fürchten und zu hassen, die sie nicht verstehen. Du kannst nichts dagegen tun. Sie werden dich immer jagen. Sie verstehen nicht, wie wunderbar und wertvoll du bist. Alles was sie wollen ist, dich zu vernichten. Aber das ist nun nicht mehr wichtig. Du bist in Sicherheit.“
Er umarmte sie ganz fest und strich ihr über den Rücken. Und in diesem Moment verschwanden die Flammen um Kyras Körper. Marius löste sich von ihr und sah ihr eindringlich in die verweinten Augen.
„Komm mit mir. Ich bringe dich nach Hause.“
Michael war nun fertig und zum Aufbruch bereit. Seine Pistole war geladen und er hatte gut einen halben Liter Blut getrunken, um bei vollen Kräften zu sein. Noch einmal dachte er über alles nach. Bei ihrem Plan könnte so viel schief gehen. Immerhin würden sie es mit einer Horde mordlüsterner Jäger in Kriegslaune zu tun bekommen und er war sich nicht sicher, ob zwei gewöhnliche Vampire dagegen ankämpfen konnten. Er war sich nicht einmal wirklich sicher, ob sie es bis ins Hauptquartier hinein schaffen würden.
„Joe!“, rief er durch die Wohnung. „Was machst du denn da oben? Wir sollten langsam los!“
Joe war in seinem Arbeitszimmer verschwunden und Michael wusste, dass er dieses Zimmer nicht betreten durfte. Doch was auch immer Joe dort oben trieb, es kostete sie eine Menge Zeit. Michael ärgerte sich ein wenig
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