Unheiliger Engel (German Edition)
Dennoch war er nicht mehr ann ä hernd das, was er noch vor vielen Jahrhunderten war, denn damals hatte er nur das Schwert und den Kampf gekannt und der Tod vieler Me n schen in all den Kriegen hatte ihn wenig ta n giert. Mit den Jahren hatte er sich jedoch verändert, vermied blutiges Tun und hatte gelernt, sich mit den Menschen zu arrangieren und sich ihnen anzupassen. Das war einf a cher, als sie zu bekämpfen. Beinahe war er einer von ihnen geworden, war ihnen ähnlich, doch es bl ieb immer nur ein ‚ beinahe ‘ .
Sergej seufzte verdrossen und kroch wieder in die weichen Federn, suchte nach Ruhe, Wärme und Vergessen. Die Fl a sche S. Pellegrino blieb unberührt neben seinem Bett mit dem wuchtigen, gold e nen Antikrahmen stehen, in dem schon die Borgia geschlafen hatten. Glück und Zufriedenheit hatte ihr Reichtum ihnen nicht wirklich gebracht, doch wu r de das Glück nicht überschätzt und konnte und sollte es auf andere Art und Weise kompe n siert werden? Er jedenfalls gehörte zu den Menschen, die nicht darauf wart e ten, dass ihnen das Glück etwas in den Schoß legte, sondern er holte sich, was er wollte. Mit diesen Gedanken und einer ihm eigenen Selbstzufriedenheit, die an Arroganz grenzte, schlief Sergej wi e der ein.
Als er erwachte, war es bereits 19:30 Uhr und schon wieder blinkte sein Anru f beantworter. Er ignorierte d a s hartnäckig mahnende, rote Blinken, das sicherlich einen erneuten Anruf seines Freundes Tom ansagen wol l te. Sergej war aber nicht nach Reden. Er hatte keine Lust , zu erklären, warum er das geplante Mi t tagessen verpasst hatte, zu dem er ausdrücklich zugesagt hatte bei Tom und seiner süßen Frau Maddie, dem perfe k ten Paar mit den perfekten Manieren. Er hatte keine Lust , zu erklären, warum es ihn mit Neid und ebenso Mitleid tränkte, ihr liebevo l les Miteinander zu sehen. Irgendwann würden sie sterben, ihre große und für sie unendliche Liebe würde mit ihnen sterben und er würde allein zurückble i ben, wie schon so oft zuvor. Doch noch lebten sie und liebten sich und er gönnte ihnen ihre gemeinsame Zeit. Dennoch hatte er noch nie verstanden, was es wirklich bedeutet e, für immer zu lieben und er würde es wohl auch nie verstehen. Eigen t lich wollte er das auch gar nicht, denn seine Gefühllosigkeit war sein Schutzma n tel, ohne den er sicher schon dem Wahnsinn verfallen wäre ob seines seltsamen Schicksals, seines manchmal so verfluchten und immerwährenden Seins. Natü r lich empfand auch er es als angenehm, sich mit Frauen zu schmücken und er genoss ihre Nähe. Nur wenige Male in all den Jahrhunderten hatte er in einem weiblichen Wesen mehr gesehen und diese Person dann letz t lich doch wieder zu verlieren, hatte auch ihn empfindlich geschmerzt. Mit dieser sicheren E r kenntnis schweiften seine Gedanken wieder in die Vergangenheit. Viele G e sichter und Erlebnisse erschienen vor seinem geistigen Auge, es waren Erlebnisse, die für viele t ausend Menschenleben reichen wü r den.
Er sah Namids rehbraune Augen und ihre sinnlichen Lippen, die er so gern g e küsst hatte. Er hatte sie seine wunde r schöne Sternentänzerin genannt und ihr Tod hatte ihn für lange Zeit gebrochen. Er erblickte Elisabetha, seine erste treue Gefährtin und stolze Grazie. Beide waren ungestüme Kinder der Natur und der wi l den Steppen gewesen, das allerdings auf unterschiedlichen Kontinenten und zu unterschiedlichen Epochen . Das alles war schon so la n ge her und ihre Körper waren längst vom Winde der Vergangenheit ve r weht, doch ihre Anmut und ihre Liebe zu ihm blieben tief in seiner Erinnerung verankert. Ein Spric h wort sagte, dass die Feder die Vergangenheit golden mal t, und das stim m te in Bezug auf diese beiden wunderbaren Frauen.
Unendlich müde und voller Gedanken legte er eine CD auf und lauschte den Klä n gen von Chopins Tristesse . Wenn die Nacht doch nur schon vorüber wäre und die Morgenröte mit ihrem warmen Glanz und unschuldigem Stra h len die vielen düsteren und traurigen Erinnerungen vertre i ben könnte.
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Die Ermittlungen liefen auf Hochtouren und Elaine hatte sich schon vor Stu n den i m Büro vergraben und studierte alte Schriften, in denen sie Hinweise auf die Symbole und Zeichen am Fundort der zwei verstümmelten Leichen vermutete. Zusätzlich hatte sie Fotos und Kopien ihrer Skizzen an zwei Pr o fessoren für das Altertum geschickt, die vor Jahren mit ihrem Vater zusa m mengearbeitet hatten. Doch bis jetzt war sie weder fündig
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