Unheiliger Engel (German Edition)
sonderes Erlebnis sein und Sergej würde nie seinen ersten Besuch einer Oper n aufführung 1851 in Venedig vergessen. Verdis Werk konnte anders als die Me n schen um ihn herum sein Herz berü h ren, die Interpretation des Tenors Raffaele Mirate war ihm bis heute unvergessen geblieben. Damals befand er sich in Begle i tung seiner rassigen Maitresse Francesca Alfano, deren maßlose Le i denschaft und ungestüme Temperamentsausbrüche Wochen später d a rin mündeten, ihm ein Messer zwischen die Rippen zu stoßen.
Bei Puccinis Turandot wurde er schläfrig und fühlte sich wohl und leicht. 1926 war ein gutes Jahr gewesen und er hatte die Mailänder Skala auf Einl a dung der Sopranistin Rosa Raisa besucht, die in der Uraufführung die Turandot gab. Er schickte ihr einen Strauß mit hundert weißen Rosen auf die Bühne und erntete ihre Gunst und Zuneigung. Unvergessen würden ihm ihre dekadenten Au s schweifungen unter dem Einfluss von Absinth, der schönen, verklärenden gr ü nen Fee und Opium bleiben, die sie beide ins Abstrakte und Surreale fli e gen ließen, nicht nur in sexueller Hinsicht . Rosa hatte ein Faible für andere Künste und die M a lerei , und nicht nur ein M al hatte er ihr Modell gesessen. Jedes Mal, wenn er viele Jahre d a nach die Skala wieder besuchte, hatte er innegehalten und ihrer gedacht, ihrer gesangl i chen Kunst, Schönheit und inspirierenden Manier.
Mit diesen Gedanken und Erinnerungen schlief Sergej ein und träumte e i nen angenehmen und friedvollen Traum von Licht, Wärme und Geborgenheit. Erst spät in der Nacht wurde er wach und setzte sich an einige Unterlagen und Ve r träge, die noch bis zum Morgen und Geschäftsbeginn durchgearbeitet we r den mussten. Gerade bei Nacht konnte er am besten arbeiten und sich konzen t rieren, seine Gedanken waren freier und leichter zu formen. Die besten Ideen zu g e schäftlichen und innovativen Möglichkeiten kamen ihm bei Nacht und es kam daher oft vor, dass er im Büro blieb und arbeitete.
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„Halt, S ie können nicht einfach unangemeldet in sein Büro gehen . “
Beinahe empfand Elaine Mitleid mit der attraktiven jungen Frau, die wild gest i kulierend hinter Martin Reuter und Robert Hediger herlief. Schon hatten die beiden quer über den langen Flur eine Bürotür erreicht und traten unau f gefordert ein. Die schrille Stimme der Empfangsdame ließ Elaine zusammenz u cken, dann folgte sie dem ungleichen Trio. So geschmackvoll eingeric h tet konnte also die Höhle des Löwen sein.
„Was ist das für ein unglaubliches Benehmen? Ich sagte Halt“ , zeterte die Frau weiter, o h ne die beiden Männer zu beeindrucken, die sich neugierig im Zimmer umblickten. G e gen sie wirkte sie wie ein aufgeregter Spatz.
„Das werden wir ja sehen“, entgegnete Reuter energisch und baute sich ei n schüchternd vor der Frau auf.
„Warten S ie bitte einen Moment, ich werde nachsehen, ob Herr Kasamarov Zeit hat.“
„Er wird Zeit haben“, erklang Hediger s Stimme, einige N u ancen höher und unangene h mer.
„Ich muss S ie anmelden ! “ Die junge Frau blieb beharrlich und stemmte e r staunlich angriffslustig ihre Arme in di e Seiten. Sie trug einen kurzen engen Rock, der ihre langen Be i ne betonte.
„Das können wir selbst “ , sagte Hediger und verschlang sie mit seine n Bl i cken . „Kein Problem also, woll?“
Plötzlich lief ein sinnlicher Schau d er durch Elaines Körper und sie erblickte e i nen groß gewachsenen Mann, der aus einem Nebenzimmer i n s Büro trat, mit einer dunklen Anzughose bekleidet und ein em weiße n Handtuch in Hä n den. Wassertropfen perlten von seiner Stirn und sein rabe n schwarzes Haar war noch feucht. Elaine hielt den Atem an. Er war zum Ni e derknien attraktiv und barg das Feuer der Versuchung in seine m Blick . Genauso stellte sich Elaine einen ung e stümen Eroberer und gekonnten Verführer vor.
„Was gibt es, Ruth?“ S eine tiefe und wohlklingende Stimme passte haargenau zu di e sem ausdrucksstarken Mann.
„Herr Kasamarov, bitte entschuldigen S ie, aber die Dame und die Herren sind vom LKA und …“
„Haben sich offensichtlich selb st eingeladen. Es ist schon gut , lassen Sie sie rein. “
E r lächelte und ging ein paar Schritte auf Elaine und ihre Kollegen in zivil zu. Seine gr ü nen Augen besaßen die Schärfe und Intensität eines Raubvogels, der sich sogleich auf seine ausgemachte Beute stürzen wird. Erst als sein Blick auf Elaine traf wurde seine Miene mi l der. Elaine hatte das
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