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Unheiliger Engel (German Edition)

Unheiliger Engel (German Edition)

Titel: Unheiliger Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Mertz
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Ja h ren begegnet . Tom war damals ungefähr sechs Jahre alt und seine schon blau angelaufenen Hände klammerten sich mit schwindender Hof f nung auf Errettung an eine Eisscholle. Er war beim Spielen am Fluss gestürzt, abgetrieben und kurz vor dem Ertrinken, seine Kleidung mit kaltem Eiswasser g e tränkt und schwer wie Blei. Niemand befand sich in der Nähe, der den kleinen Jungen aus der nur teilweise zugefrorenen A u ßenalster hätte ziehen können und seine Stimme war zu schwach, um Gehör zu fi n den. Der Abend hatte bereits sein dunkles K leid über ihn gebettet und Sergej wollte sich schon still und heimlich entfernen, doch irgendwas hatte ihn zurückgeha l ten und er rettete den Jungen. Damals stand er kurz vor einem erneuten Identitätswechsel und vermied es, in der Öffentlichkeit aufzufallen. Er hatte sich Hamburg als Betät i gungsfeld ausgesucht, nachdem er jahrzehntelang im U m land von Caracas gelebt hatte. Dort würde er allerdings in baldiger Zukunft offiziell versterben, denn seine Zeit war wieder einmal abgela u fen.
    Als er dann jedoch das halb tote Kind in d en A r men gehalten hatte, es sich eng an ihn drückte und leise wimmerte, hatte sich irgendwie ein Band zw i schen ihnen geschlossen. Danach war der Kontakt nicht abgebrochen, auch wenn Sergej erst viele Jahre später als geplant in Hamburg ein neues Leben b e gann. Er war auch aus der Ferne ein stiller Begleiter in Toms Jugend, auf dem Weg ins Erwachs e nenalter und nachdem seine Eltern bei einem tragischen Ve r kehrsunfall ums Leben gekommen waren, eine Art väte r liche r Freund. Als es irgendwann nicht mehr anders ging, weihte er ihn in einige Details um sein u n sterbliches Leben ein. Natürlich hatte Sergej ihm verschwiegen, dass er neben seiner Unsterblichkeit über besondere Kräfte und Möglichkeiten ve r fügte, die er allerdings auch schon damals nur selten anwan d te. Sie waren kraftraubend und nicht gefahrlos in ihrem Ei n satz und er neigte zum Kontrollverlust, wenn er sie abrief. Sergej hatte zwar gelernt, sie in Teilbereichen zu kontrollieren, dennoch zog er es vor, sich mö g lichst menschlich und unauffällig zu verhalten, bis seine Zeit gekommen war und er wieder in eine andere Identität wechseln mus s te. In früheren Jahren war das einfach und problemlos gewesen, er verstarb und b e gann ein neues Leben auf Zeit zumeist auf einem anderen Erdteil, doch diese neue, mu l timediale Zeit mit all ihren Möglichkeiten und Spuren bedingte eine gewisse F i nesse und Vorarbeit.
    „Du hast mir nicht zugehört“, klagte Tom und riss Sergej aus den Geda n ken.
    „Es tut mir leid . I ch habe viele Termine und mein Kopf ist voll mit Dingen, die ich noch erledigen muss.“
    „Wann nicht? Denk daran, in deinem hohen Alter solltest du dich sch o nen.“
    Sergej lachte. „Versprochen, ich schone mich und der alte Mann wird heute besonders auf sich achtgeben.“
    „Das wirst du sowieso nicht machen, Sergej . “
    „Frag mich diese Sachen nicht, dann muss ich auch nicht lügen. Ganz ei n fach.“
    „Den Gefallen werde ich dir nicht tun. Aber ruf mich heute Abend an, o kay ? Wir müssen geschäftliche Details bespr e chen, schließlich bin ich nicht nur dein Freund, sondern auch dein Anwalt.“
    „Das ist mir nicht entgangen. Ich habe nämlich dein Stud i um finanziert und dein G e halt ist unverschämt hoch.“
    „Was eine gute Investition war . Außerdem verdiene ich, was ich bekomme und das weißt du.“
    „Da bin ich nicht immer sicher, Herr Anwalt . “ Sergej schmunzelte. „Grüß Maddie von mir. Gib ihr einen Kuss und sag ihr, dass es mir leidtut.“
    „Das werde ich . I rgendwie ist sie noch immer vernarrt in dich. Keine A h nung warum.“
    „Das ist meine charmante Art.“
    „Die du nur selten zeigst.“
    „Dann hat sie eben einen guten Geschmack.“
    „Genau den hat sie, deshalb hat sie auch mich geheiratet und nicht dich.“
    Eine unangenehme Pause entstand . Sie zeugte von einem speziellen Punkt zw i schen ihnen , der noch nicht geklärt und noch nicht überwunden war, aber auch das würde irgendwann geschehen. Sergej antwortete nicht sofort und Tom wec h selte das Th e ma.
    „Gut, wir hören also voneinander?“
    „Ja.“ Als Sergej auflegte, hatte er das Gespräch schon beinahe wieder verge s sen. Bis auf Maddie. Die niedliche Maddie mit der kecken Stupsnase, den üpp i gen Rundungen und dem Lächeln eines Engels. Sie war klug genug, ihn damals zu ve r lassen und er hatte sie gehen lassen, weil er nur zu

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