Unheimliche Begegnungen (German Edition)
Worten, die ihr nur so heraussprudelten, vor sich selbst. Sie sah den enttäuschten Ausdruck in Vinc Gesicht, und dass sie ihm weh taten, was er auch in einem Satz ausdrückte: „Das glaubst du wirklich von mir?“
Es herrschte Stille. Zubla und Tom, die der Worttirade von Vanessa fassungslos gefolgt waren, wagten sich nicht zu äußern und Vinc war sprachlos über den Zornesausbruch von Vanessa. Aber er war ein kluger Junge und ein reeller. Er wusste, dass bei vielen Menschen aus Sorge um seinen Partner oft kein Mitleid aus dem Mund kam, sondern Schimpfen. So war es auch bei seiner Mutter. War er mit seiner Gesundheit leichtsinnig umgegangen und daran erkrankt, machte sie ihm zunächst Vorwürfe und schimpfte, um sich danach fast um ihn umzubringen. Sie zerfloss vor Bedauern und bemutterte ihn wie ein Baby.
„Ach mach doch, was du willst. Ist mir doch egal.“ Mit diesen Worten wendete sich Vanessa von Vinc ab. Nicht weil sie ihm nicht mehr ins Gesicht sehen konnte angesichts ihrer hemmungslosen Worte, sondern weil sie Tränen in den Augen hatte und bereits eine davon die Wange hinablief.
Vinc hatte das Glitzern gesehen. Er konnte alles verkraften, aber nicht, wenn Vanessa weinte. Er ging zu ihr und drehte sie wieder zu sich. Er redete nichts, sondern drückte sie fest an sich. Er tat etwas, was er noch nie gewagt hatte. Er gab ihr einen Kuss auf ihren herzförmigen Mund. Er spürte, wie sie ihm standhielt. Er bemerkte auch, wie sie im Versuch war, ihren Mund leicht zu öffnen, aber sofort wieder zusammenpresste. Beide wussten, dass es ihr erster Zungenkuss war. Doch es sollte nicht hier in dieser Öde sein, sondern einem schönen Ort, den beide erträumt hatten. Den ersten Zungenkuss der großen Liebe. Trotz der misslichen Lage aber war ihnen bei dem Liebesbeweis bewusst geworden: Sie waren ineinander verliebt. Doch sagen wollten sie es jetzt nicht, als sie sich getrennt gegenüberstanden und sich in die Augen sahen. Sie wollten es aufheben, bis die Zeit geeigneter und romantischer war. Trotz seines jungen Alters wurde Vinc nun eins klar, er war verantwortlich für ihr Leben, besonders Vanessa gegenüber. Und er wusste zugleich, sie mussten überstehen, um seinen Traum zu verwirklichen, Vanessa eines Tages zu heiraten. Und so entstand ein noch festeres Band der Freundschaft, das kaum jemand zu trennen vermochte, nämlich das unzertrennbare Band der Liebe. Und sie wussten noch nicht, dass sie dies einmal unter Beweis stellen mussten, ja, dass sogar ihr Leben davon abhängen würde.
Nur jemandem tat es ein wenig weh. Zubla sah diese Aktion zwischen Vinc und Vanessa mit gemischten Gefühlen. Doch der Kleine wusste, zwischen ihm und dem Mädchen wäre nie so ein Verhältnis geworden, wie sie es mit Vinc jetzt hatte. Er konnte ja seinen Schwarm weiter anhimmeln. Ihm reichte allein die Herzlichkeit, die ihm Vanessa entgegen brachte.
Doch Vinc und Vanessa wurden durch das Aufschlagen des bröckelnden Gesteins jäh wieder aus ihrer kurzen Romanze gerissen und an die Tatsachen erinnert.
„Ich habe Folgendes vor“, begann Vinc und flüchtete mit dem kleinen Trupp an den Felsen. Dort in vorübergehender Sicherheit fuhr er fort: „Ich werde versuchen, in den Korb zu springen.“ Er sah Vanessa dabei an, doch sie hatte keinen Einwand mehr. „Das ist unsere einzige Chance. Ich muss versuchen, das Tier höher zu bekommen, so dass ich euch nachholen kann.“
Tom schüttelte zweifelnd den Kopf: „Und wenn er sich zur Seite bewegt? Wenn der Forettenjäger ein paar Meter seitlich wegfliegt, dann segelst du in den Abgrund.“
„Und wenn ich es nicht wage, dann segeln wir alle in den Abgrund“, widersprach Vinc. Er sah zu Zubla und fragte: „Weißt du, wie man diese Viecher lenkt? Die müssen doch irgendwie Befehle bekommen.“
„Klar weiß ich.“ Zubla schwieg eine Weile, um nachzudenken, denn er wusste, dass er die Befehle exakt genau wiedergeben musste. Nur einer, der die falsche Richtung enthielt, als die, die der Befehlende meinte, könnte es ein tödliches Verhängnis sein.
„Weißt du es oder nicht?“, fragte Tom ungeduldig.
„Ich weiß sie. Ich musste nur überlegen, ob es die Richtigen sind.“ Zubla schwieg noch einmal kurz, um dann sicher zu sagen: „Dost ist rechts, dest ist links, delt ist hoch und dolt ist runter. Dann ist ralt vor und rult zurück.“
„Wow, und das soll sich einer merken, ohne durcheinander zu kommen?“, stellte Tom fest.
„Du nicht, aber ich kann sie mir merken. Sind
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