Unheimliche Begegnungen (German Edition)
trat einige Schritte nach vorne, um besser nach unten sehen zu können. Doch Vinc riss ihn zurück: „Bist du bescheuert? Willst du hinabstürzen?“, fragte er aufgeregt seinen Freund, der erschrocken nach hinten sprang und beinahe Zubla umgetreten hätte. Wieder lösten sich bei den unbedachten Schritten Toms einige Steine und stürzten in die Tiefe.
„Da hättest du dabei sein können“, sagte Vinc und meinte weiter: „Ich sehe auch niemanden im Korb.“
„Wer mag den Forettenjäger steuern?“, sinnierte Vanessa.
„Der wird gelenkt und nicht gesteuert. Steuern tut man …“, „schon gut“, unterbrach Vanessa ihren Bruder. Sie klang gereizt, als sie weiter sprach: „Ist doch egal. Jedenfalls ist es unheimlich genug, dass das Tier nur einfach so da unten ist. Sieht aus als lauere es auf etwas.“
„Ja, auf uns.“ Sie sahen Zubla an, als sei er ein Geist.
„Woher willst du das wissen?“, fragte Vanessa.
„Überleg doch mal.“ Der Kleine stellte sich wieder anhimmelnd vor das Mädchen. Damit er nicht so angestrengt zu ihr aufschauen musste, ging sie in die Hocke, so dass ihr Gesicht die Höhe des seinen bekam. „Weißt du überhaupt, wie hübsch du bist?“, fragte der Gnom und verdrehte die Augen.
„Nun mach mal nicht so verliebte Augen, sondern sage, was du zu sagen hast“, meinte Vinc, der ebenfalls neben Vanessa in die Hocke gegangen war. Er fand es stets amüsant, wenn der Kleine Vanessa Komplimente machte, doch wenn er nicht unterbrach, dann konnten sich diese Schmeicheleien in die Länge ziehen.
„Der ist doch gezähmt. So ohne Weiteres kommt der nicht hierher. Nur, wer ihn herbrachte, ist wohl noch nicht erklärbar.“ Zubla sprach es, ohne den Blick von seiner Angebeteten zu wenden.
„Aber warum kommt der nicht höher? Er bleibt stets einige Meter unter uns“, stellte Tom fest.
Sie mussten wieder zurückweichen, denn unaufhörlich löste sich Gestein und stürzte nach unten. Ihr Aufenthaltsort wurde dadurch ständig kleiner und sie konnten sich ausrechnen, dass es nicht einmal mehr Stunden dauern würde, bis sie dicht gedrängt an der Felswand auf ihr Ende warten müssten. Das zehrte gehörig an den Nerven.
„Wie weit ist der Forettenjäger von uns entfernt, ich meine nach unten. Was schätzt ihr?“, fragte Vinc nach längerem Schweigen. Er musterte schon einige Zeit die Gegend vor ihm und beobachtete genau jede Bewegung des Tieres. Es hatte sich wohl total unter Kontrolle, denn es wich keinen Zentimeter von seiner Lage ab.
„Wenn ich näher an den Rand könnte, könnte ich es fast genau sagen, denn im Schätzen bin ich Weltklasse“, gab Tom an.
„Im Leichtsinn auch“, erwiderte Vinc belustigt und fügte hinzu: „Dann schätze mal.“
„So fünf Meter werden es bestimmt sein“, mutmaßte Tom.
Vanessa ahnte, was Vinc Frage bedeuten sollte und sie brachte es auf den Punkt, indem sie fragte: „Du willst doch nicht etwa da hinabspringen?“
„Wie sollen wir sonst …“ „Vergiss es!“ Vanessa ließ Vinc gar nicht erst ausreden. In ihrer Stimme klang nicht nur Besorgnis, sondern auch Wut. Wut darüber, dass ihr Freund sein Leben so leichtsinnig auf das Spiel setzen wollte. Sie schimpfte ohne Hemmungen darauf los: „Du bist ein richtiger Egoist.“
Vinc sah sie an. Was machte sie so wütend? „Wieso bin ich ein Egoist? Weil ich mich opfern will, um euch vielleicht zu retten?“
Vanessa steigerte sich in ihre doch mehr gespielte Wut. Sie hatte sich nun einmal in sie gewachsen und wollte es so schnell nicht sich anmerken lassen, dass es mehr aus einer Sorge herauskam. Doch sie wusste auch, dass die Mitleidstour bei Vinc nicht ankäme. Er würde nur versuchen, sie zu beruhigen und doch seinen Plan durchsetzen. Aber wütend mochte er Vanessa überhaupt nicht sehen, daher sagte sie, immer noch die Erboste spielend: „Du sagst es: Vielleicht uns retten. Vielleicht, das ist das Wort. Und ein Egoist bist du, weil du nur an dich denkst.“
Vinc fing an zu lachen. Aber es war nicht das sonst so Fröhliche, sondern eher ein gereiztes. „Ich denke an mich? Hä? Wenn ich für euch springe?“
Vanessas Stimme klang wieder eher mitleidig, als sie erwiderte: „Klar ist das egoistisch. Wenn du es schaffst, in den Korb zu springen, dann ist es egal, ob das Tier nach oben kommt und ob du uns abholst, denn du bist erlöst. Wenn du es nicht schaffst, dann ist es sowieso egal, dann hast du es schneller hinter dir und wir stehen hier oben allein.“ Vanessa erschrak bei ihren
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