Unheimliche Begegnungen (German Edition)
Eingang öffnen würde, ist nur eine Irreführung, die ich verbreitet habe. Die Wächter der Toten konnten euch nicht bis hier herein verfolgen, weil sie in die Halle des Bösen gekommen wären, was ihren Untergang bedeutet hätte. Wäre dieser Ort heilig, dann hätten sie euch wohl verfolgt.“
Sein Lachen, mit dem er seine Erklärung abgeschlossen hatte, war noch widerlicher und hallte fürchterlich.
„Nun zu der Demonstration meiner Macht."
Er genoss die kommenden Worte, was sie seiner sanfter gewordenen Stimme entnehmen konnten: „Schaut genau hin. Seht ihr die leere Fläche in der Mitte?“ Er wartete gar nicht eine Bestätigung ab, sondern aus seinen Augen kamen Strahlen. Als sie auf der Fläche auftrafen, wuchs die Statue eines Engels mit einem Schwert in der Hand empor. Die Größe entsprach am Ende der doppelten Länge eines ausgewachsenen Menschen.
„Das ist Uriel, der Erzengel. Der geleitet die Verstorbenen zu dem Jüngsten Gericht. Warum ausgerechnet dieser Engel? Mich schaudert“, flüsterte Vanessa Vinc zu.
Die Fratze aber hatte trotz der leisen Sprache die Worte gehört: „Richtig, es ist ein Symbol aus eurem himmlischen Gefilde.“ Sein stechender Blick wendete sich zu dem Sarg mit dem Feuer: „Ich werde dieses Feuer zu ihm schicken. Dieser Engel ist aus reinem Marmor, das ja bekanntlich nicht brennen kann, aber mein Feuer wird sich an ihm laben, jedoch nicht zerstören.“
Tom schüttelte über so viel Unsinn nur den Kopf, sagte aber vorsichtshalber nichts, denn schließlich hatte er diesen Schlamassel mit seinem vorlauten Mund angerichtet.
Nachdem das Feuer den Engel erreicht hatte, stand er in Flammen.
„Wasser löscht Feuer“, sagte der Unhold und schickte eine Wolke über das Feuer. Es regnete in Strömen. Doch das Wasser zischte nur, als es auf das Feuer traf und ging als Dampf zurück in die Wolke.
Der Böse sprach wieder: „Wind und Sturm vertreiben die Wolke.“ Er schickte vom Sarg der Luft den Sturm. Doch die Wolke blieb auf der Stelle schweben. Der Engel aber brannte weiter, ohne ersichtlichen Schaden zu nehmen. Nur war die Frage, woher nahm das Feuer seine Nahrung?
Sie hörten den Unhold weiter sagen: „Erde erstickt das Feuer, sie saugt das Wasser auf und widersteht dem Sturm.“
Doch auch, als die Erde sich ausbreitete, brannte der Engel weiter, das Wasser perlte ab und der Sturm blies über die Fläche weg. Nur das Feuer suchte seinen Weg. Es öffnete die Erde durch einen Trichter und es entstand ein kleiner Vulkan.
„Ich aber denke, das Mächtigste ist immer noch das Eis. Feind dieser vier Elemente.“ Er überzog die Materien mit einer Schicht Eis. Doch es blieb ohne Wirkung. Es sah nur aus, als befände sich das Geschehen in einer Glaskugel. Dann verschwand alles und nur der Engel mit seinem flammenden Schwert stand noch unversehrt da.
Er schwieg einen Moment, um dann zu erklären: „Was ich euch damit zeigen wollte, ist, dass wir alle Naturelemente beherrschen. Feuer muss nicht brennen, Wasser nicht löschen, Erde nicht ersticken, Sturm nicht zerstören und Eis nicht veröden. So werdet ihr bei uns auf der dunklen Seite niemals zwischen Illusion und Wirklichkeit unterscheiden können und das wird euch wahnsinnig machen. Ihr werdet in die Tiefe springen, weil euch der Irrsinn befällt. Das wird euer tödliches Schicksal sein.“
Er lachte schallend und er wurde darauf wieder zu einem unbeweglichen gemalten Bild. Trotzdem aber hallten weitere Worte von ihm noch nach: „Der Engel wird euch mit seinem Schwert töten. Sputet euch, wenn meine Worte verklungen sind, seid ihr des Todes. Denn nur er, euer heiliges Symbol, kann euch hier töten. Oder ist er auch nur eine Illusion, wie jetzt meine Stimme? Ich kann euch sagen, wo der Eingang zur dunklen Seite ist: Er ist hier und dort, aber nicht hier an diesem Ort. Wenn ihr alles seht und doch nicht alles seht, dann seht ihr ihn. Verwirrt euch das? Hahaha.“ Dann war beängstigende Stille.
„Ich habe es satt, immer wieder diese Zweifel zu haben, dieses Ungewisse. Ich halte das nicht mehr aus. Ich will heim“, unterbrach lauthals Vanessa die Stille. Sie war, wie bereits schon einmal erwähnt, ein tapferes Mädchen, doch diese Abenteuer des Ungewöhnlichen ließen sie nun an die Grenze ihrer Nervenkraft kommen.
Vinc drückte sie an sich. Er tröstete sie nicht durch Worte, sondern schwieg einfach. Er gab ihr dadurch das Gefühl des Schutzes und nicht Trost durch leere Phrasen. Er ließ sie weinen und sagte dann:
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