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Unheimliche Begegnungen (German Edition)

Unheimliche Begegnungen (German Edition)

Titel: Unheimliche Begegnungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Vehler
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„Wir wollen alle heim und wir kehren nach Hause, das verspreche ich dir, besser euch.“
    Sie beruhigte sich und gab ihm einen Kuss. Wem sollte sie denn noch trauen, als ihrem allerliebsten Menschen, den sie noch hatte.
    Tom tippte Vinc auf die Schulter und sagte, indem er Richtung Engel zeigte: „Wenn ihr fertig geknutscht habt, dann helft mir lieber, den Eingang zu suchen. Der setzt sich nämlich in Bewegung.“
    Vinc wollte noch erwidern, wie sich denn Marmor in Bewegung setzen könne, doch dann sah er, wie die Hülle um den Engel zersprang und die Gestalt lebendig wurde. Sie kam näher und fuchtelte mit dem Schwert.
    Vinc wollte schon den Degen ziehen, doch er überlegte es sich anders, denn er sah keine Chance, dem weit größeren Engel mit dem gewaltigen Schwert trotzen zu können. Der Engel näherte sich und ließ immerzu sein Schwert auf die Erde niedersausen.
    Sie sahen einen Gang, der weiter nach hinten in die Kapelle führte. Als sie sich in ihm befanden und sich kurz umdrehten, sahen sie zu ihrer Erleichterung den Engel davor stehenbleiben. Er war zu groß für diesen niedrigen Fluchtweg.
    Sie legten eine kurze Verschnaufpause ein. Das gab Tom die Gelegenheit zu sagen: „Ich möchte nur mal wissen, was der mit dem Spruch meinte: Wenn ihr alles seht, seht ihr doch nicht alles. Ist doch ein Widerspruch.“
    Sie überlegten kurz, konnten aber mit dem zitierten Satz auch nichts anfangen.
    „Wir müssen schneller überlegen“, sagte Vanessa und zeigte zum Engel, der seine Länge verkürzte. Durch seine Schrumpfung konnte er sich dem Gang anpassen.
    Sie liefen hastig weiter. Doch sie mussten kurz darauf feststellen, dass der Engel sie immer mehr einholte. Diese Geschwindigkeit hätten sie diesem plump wirkenden Wesen nicht zugetraut. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er sie eingeholt haben würde. Auch schien es ihnen, dass der Gang nicht enden wollte. Sie müssten eigentlich schon längst die Kapelle verlassen haben. Langsam kam es ihnen vor, als würden sie immer weiter nach unten laufen.
    Vinc eilte als Letzter, um unter Umständen den Engel aufzuhalten. Er spürte den Luftzug, den die Waffe des Verfolgers verursachte, bevor sie klingend auf dem Boden auftraf. Er drehte sich um. Da sah er den Angreifer direkt vor sich. In seiner Not zog er den Degen und richtete ihn gegen den Engel. Da hörte er ihn sagen: „Ich bin kein Engel. Ich bin ...“ Er sprach den Satz nicht zu Ende, sondern er löste sich auf.
    Der Degen der Wahrheit hatte allen Dreien zum ersten Mal das Leben gerettet. So jedenfalls nahmen sie an, doch sie würden sogleich erfahren, wie sehr sie sich da täuschten.
    Der Engel hatte sich zwar aufgelöst, aber aus ihm entstanden hundert kleinere in der Größe von Schwalben. Die kleinen Ebenbilder mit ihren Schwertern versuchten, indem sie vor den Augen der Freunde umherschwirrten, mit der Waffe hineinzustechen, um sie zu blenden.
    Die Freunde konnten durch Herumfuchteln vor ihren Augen die Angriffe immer wieder abwehren.
    Vinc ahnte, was hier Böses geschah. Die Mächte konnten ihnen hier nicht viel anheben, warum auch immer, aber sie konnten, sie durch eine Erblindung umherirren lassen. So würde das Sprichwort zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen seiner Bedeutung gerecht: Sie könnten den Eingang nicht sehen. Denn nun bekam dieser Satz einen Sinn: Wenn ihr alles seht, dann seht ihr doch nicht alles. Und zum anderen würden sie keine Nahrung mehr finden und elendig verdursten und verhungern.
    Wieder musste Vinc einen Engel abwehren. Sie flogen ihre Angriffe in schnellerer Folge und kompakter. Wie lange konnten sie, sie noch parieren? Wann schafften sie es, die Augen auszustechen?
    Immer noch war kein Ende des Gangs zu sehen. Als er glaubte, die Flucht würde nie ein Ende nehmen, hörte er Vanessa sagen: „Was ist das denn?“
    Sie hatte es laut geäußert, so dass Vinc glaubte, ihr sei etwas passiert. Er eilte zu ihr. Er sah einen Raum, dessen Wände aus Spiegeln bestanden. In seiner Verwunderung hatte er nicht mehr an die Engel gedacht, doch sie waren verschwunden. Er hörte Tom sagen: „Wenn ihr alles seht, dann seht ihr ihn auch. Die Spiegel. Wir sehen dadurch, dass sie rund um die Wände gehen, alles hier im Raum.“
    „Wie meinst du das?“, fragte Vanessa.
    „Schwesterchen, bist mal wieder schwer von Begriff“, frotzelte Tom.
    „Er meint, die Spiegel zeigen uns alles, was sich hier befindet“, erklärte Vinc.
    „Ist mir schon klar“, sagte Vanessa etwas ärgerlich.

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