Unheimliche Begegnungen (German Edition)
die hier herrschte, trieb ihm den Schweiß aus allen Poren und die lästigen Fliegen und Mücken machten ihm arg zu schaffen. Er durfte sich aber nicht rühren, weil die geringste Bewegung ihn verraten könnte. Endlich erschienen an dem Haufen, von dem er vielleicht vierzig Schritte entfernt lag, zwei Männer.
Sie hatten dicke lange Grasbüschel in den Armen, trugen sie zum Wasser und legten sie dort nieder. Dann machten sie sich unverzüglich daran, auch so viele Hölzer, die sie zu einem Floß brauchten, hinzuschaffen. Sie mussten sich sehr sicher sein, denn sie beobachteten nicht ihr Umfeld. Ihrer Kleidung nach mussten sie zu den ärmeren Leuten gehören. Die Jacken sahen wie Westen aus und waren vorn geöffnet, sodass die braune Brust zu sehen war. Die Hosen ähnelten eher denen von Seeleuten. Sie waren breit und gingen nur bis an die Waden, wo sie mit kleinen Riemen gebunden waren. Im Gegensatz zu den Aragoniern trugen sie eine leichte Beschuhung. Es sah eher aus, als hätten sie Lumpen um die Füße gebunden. Daher kamen Vinc die Fußabdrücke fremd vor. Es fehlte der Abdruck der Zehen. Durch Liberias Schilderung wusste er, dass er Geächtete vor sich hatte.
Sie mussten geflohene Gefangene des Tyrannen sein. Nicht jeder wurde hingerichtet. Der Despot brauchte sie als menschliche Schutzschilder, wenn Rebellen tatsächlich versuchen sollten, seine Residenz anzugreifen.
Aber dennoch wollte sich Vinc nicht zu erkennen geben, da er das Vertrauen der Geächteten nicht besaß.
Da ereignete sich etwas Unerwartetes: Vinc sah ein kleines Mädchen am Rande eines Gebüschs spielen. Im Augenblick waren alle mit irgendwelchen Aufbruchstätigkeiten beschäftigt, dass sie nicht bemerkten, wie sich ein wolfsähnliches Raubtier an das Kind heranschlich. Vinc erkannte die Gefahr und auch diese Tiergattung, die mit den Krallen gezielt den Hals ihres Opfers suchte und ihn aufschlitzte.
Es war eigentlich nicht Heldentum, sondern eher ein Instinkt, dem kleinen Wesen das Leben zu retten. Vinc sprang aus seiner Deckung und lief laut schreiend und mit den Händen auf und ab fahrend zu dem Opfer hin. Das Untier stoppte seinen schleichenden Gang, sah zu Vinc. Er wendete sich dem Mädchen ab und raste mit vollem Tempo auf Vinc zu.
Vinc versuchte seinen Hals abzudecken, in dem er die Achseln hochzog und damit dem Hals etwas Schutz bot.
Das Tier setzte zum Sprung an, als es plötzlich in sich zusammensackte und reglos auf den Boden plumpste. Vinc stand starr vor Schreck. Er sah einen Pfeil im Leib des Untiers.
Einer der Floßbauer kam hektisch zu dem Mädchen gelaufen, das Vinc gerettet hatte und streichelte über ihr Haar.
Der Mann stand auf und Vinc stand ihm gegenüber.
„Danke, dass Du meine Tochter gerettet hast. Sie ist das Liebste, was ich habe. Meine Frau, ihre Mutter, wurde von den Häschern des Tyrannen getötet. Was aber suchst du in dieser unwirtlichen Gegend und noch so jung, wie du bist?“
Vinc, inzwischen fest überzeugt, Geächtete vor sich zu haben, schilderte in knappen Worten sein vergangenes Schicksal, dabei aber ließ er nur das hören, was ihm kein Misstrauen einbrachte. So verschwieg er Liberia und seine vergangene Abenteuer mit ihr. Ebenso ließ er nichts von Geistern durchblicken. Er erwähnte nur die Abenteuer mit den Arlts und die in Madison.
„Dann sei herzlich willkommen bei uns.“ Diese Worte stammten von einem Mann, der während Vinc Schilderung neben ihn getreten war.
„Mein Name ist Andos. Ich bin der Führer dieser Gruppe, aber auch der gesamten Geächteten.“
Vinc hielt dieses Zusammentreffen für einen glücklichen Zufall. In einem weiteren Gespräch erfuhr er, dass einige Männer der Geächteten durch einen geheimen Gang nach Madison gelangt waren, um diese Gruppe herauszuholen. Sie wurden schon des Längeren verdächtigt, mit den Geächteten zu sympathisieren. Diesen Fluchtweg hatten sie vor langer Zeit von einem Haus der Anhänger unter der Stadtmauer gegraben, um nicht das Stadttor mit den Wachen passieren zu müssen. Der unterirdische Bau hatte drei Jahre gedauert. Das war der Anfang des Regimes des Despoten, der damals mordend in die Stadt eingezogen war und die Königin von Arganon umbringen ließ.
„Ich möchte mich euch anschließen“, sagte Vinc zum Schluss.
„Wir sind im Begriff, zu unserem Lager zurückzukehren. Allerdings weiß ich nicht, ob ich dir trauen kann“, sagte der Anführer skeptisch.
Doch seine Worte lösten Gemurmel bei den Übrigen aus, das nach
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