Unheimliche Begegnungen (German Edition)
ob er weggeflogen war oder nur in gewisser Tiefe das Plateau umflog, um dann unerwartet wieder aufzutauchen.
Eine seltsame Dunkelheit umgab jäh die Felsebene. Es war im Grunde nichts Außergewöhnliches, doch zweierlei machte sie zu einem kleinen Ereignis: die Schnelligkeit, die sie hervorbrachte und die seltsame Farbe. Das Umfeld wurde in ein dunkles Blau getaucht.
Als sie dieses kleine Wunder in Augenschein genommen hatten und trotz angestrengten Nachdenkens es sich nicht erklären konnten, hörten sie wieder den Flügelschlag des Riesenvogels, der kurz darauf erneut über ihnen kreiste. Das bläuliche Licht ließ ihn bizarr aussehen. Als er näher auf sie zuschwebte, sahen sie noch unscharf, dass er etwas in seinen Krallen hielt. Fast kunstgerecht, was man einem solchen plump wirkenden Wesen nicht zugetraut hätte, setzte er diese Last ab und flog davon.
Erleichtert standen sie auf und reckten und streckten erst einmal ihre steif gewordenen Glieder.
In einiger Entfernung sahen sie einen Korb, gleich wie Ballonfahrer ihn benutzten.
Sie wagten ihm sich nicht zu nähern, vermuteten sie erneut eine Gefahr.
Sie sahen, wie sich ein Nebel bildete, im Kontrast zu der Umfeldfarbe in einem hellen grünlichen Ton.
Dieses Etwas schwebte auf sie zu.
Vinc und Vanessa wussten im Moment nicht, wie sie sich verhalten sollten. War das eine giftige Substanz, die sie umhüllen würde und vor der es kein Entrinnen gab?
Je näher sie kam, desto deutlicher wurden die Umrisse einer Frau sichtbar. Kurz vor ihnen hatte sich die Gestalt fast verfestigt, aber nur so, dass sie wie eine durchsichtige zerbrechliche Glasfigur wirkte. Sie schwebte knapp über dem Boden.
Vinc und Vanessa ahnten, wer sie war. Die sagenhafte schwebende Frau, die Wächterin zum Tor zur Unendlichkeit, die sich Liberia nannte.
Sie mussten genau hinhören, als die zarte Stimme das kundtat, was sie bereits ahnten: „Ich bin es, Liberia. Die Wächterin zum Tor der Unendlichkeit.“
Sie sagte es noch in etlicher Entfernung, aber sie drehte den Kopf zur Seite. Sie wussten ja von der bösen Seite, die der Person zugewendet unweigerlich den Tod brachte.
„Ihr braucht euch nicht zu fürchten. Meine todbringende Hälfte habe ich euch abgekehrt.“
„Darf ich dich etwas fragen?“ Statt zu antworten, machte sie eine einladende Geste zu Vinc.
„Wo sind wir hier?“ Er wollte eigentlich gleich mehrere Fragen stellen, sagte sich aber, dass wohl diese alle anderen mit erklären würde.
Sie schien lange zu überlegen, bevor sie antwortete. Es fiel ihr nicht leicht, das merkten sie an dem Ansatz ihrer Worte. Sie wollten nicht so recht über ihre herzförmigen Lippen kommen.
„Das ist das Plateau zum Eingang der Unendlichkeit.“
Vinc wusste noch, wo der wirkliche Eingang war, denn erinnerte sich an die liebliche Gegend, in der sie ihr Domizil hatte. „Ich kenne aber einen anderen Eingang“, meinte er.
Sie lächelte bei ihrer Antwort: „Und du kennst auch diesen hier. Nur dass die magischen Luftwirbel nicht mehr da sind. Wir haben nur diesen Aufgang für euch geschaffen und ihn einstürzen lassen. So bleibt das Böse endgültig von mir fern. Wenn deine Mission erfüllt ist, dann wird dieser Berg zu einem Vulkan und nur noch der andere Eingang, den du einst gesehen hast, wird bleiben.“
„Warum sollten wir hierher kommen?“, fragte Vinc.
„Um Vanessa zu schützen. Nur du kannst den Rest der Aufgabe erledigen. Du und die Geisterkinder.“
„Ich soll Vanessa hier lassen? So wie Tom bei Marxusta? Damit ihr Geiseln habt? Ihr die bösen der Dunkelheit?“ Vinc war überzeugt wieder einer List zum Opfer zu fallen.
„Marxusta ist echt, der in das Waldhaus kam. Er gab diese Dinge, die euch kleiden, aber auch die Waffe der Magie.“
Vinc und Vanessa horchten auf, als sie das sagte. Nun wussten sie, dass sie mit der wahren Liberia zu tun hatten, als sie weiter sagte: „Auch gab er dir in meinem Auftrag den Dolch der Geister. Er ist es, der helfen wird, das Herz der Königin zu finden und sie wieder zum Leben zu erwecken. Nur nach dieser vollbrachten Handlung könnt ihr von diesem Felsen.“
Sie erschraken über ihre Worte. Sie würden hier oben Gefangene bleiben und elendig verdursten und verhungern.
Sie wendete sich an Vinc ohne die Vorsicht außer Acht zu lassen, ihm die gute Seite zu zeigen: „Nun höre gut zu, was ich dir jetzt sage: Nimm den Dolch und wünsche dich auf den Friedhof der Geisterkinder und führe sie in die Gruft der Königin. In sie
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